AUS DEN GRUPPEN: TÜBINGEN
Zur Erinnerung an den 8. Mai 1945 haben wir gestern Abend in der Altstadt mehrere Kundgebungen abgehalten und Flyer verteilt. Sowohl auf dem Holzmarkt, als auch auf dem Marktplatz und im alten botanischen Garten stieß unsere Aktion bei vielen Jugendlichen auf spontane Zustimmung – auch wenn die üblichen antikommunistischen Anfeindungen einzelner Passanten leider nicht ausblieben…
Im Folgenden dokumentieren wir den Kundgebungstext, der auch auf den Flyern abgedruckt war:
Wer nicht feiert hat verloren!
8. Mai 1945 – Tag der Befreiung! Danke! Cпасибо! Thank You! Merci! Gracias!
1933 kamen Hitler und die NSDAP mit Hilfe des deutschen Kapitals an die Macht. Die 12 jährige Terrorherrschaft des Faschismus ist verantwortlich für die bisher größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Einerseits wurde eine bis dahin unvorstellbare Aggression nach außen vom Zaun gebrochen: der Überfall auf die Nachbarländer im Westen wie im Osten, der Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und damit die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges. Andererseits wurde ein beispielloses Gewalt- und Ausrottungsprogramm innerhalb des Deutschen Reiches und in den besetzten Gebieten durchgesetzt: die industrielle Vernichtung der Jüdinnen und Juden, Hunderttausender Sinti und Roma, Homosexueller und Menschen mit Behinderung, die massenhafte Ermordung von Millionen sowjetischer Kriegsgefangener sowie die Zerschlagung der Arbeiterbewegung und die fast vollständige Liquidierung jeder politischen Opposition. Bis 1945 hat die Naziherrschaft mindestens 55 Millionen Menschenleben gefordert. Allein 25 Millionen und damit den Großteil dieser Todesopfer hatte die Sowjetunion zu beklagen. Über 6 Millionen Menschen jüdischer Abstammung wurden von den Nazis deportiert, als Zwangsarbeiter versklavt und ermordet. Halb Europa lag nach Kriegsende in Trümmern. Über 30 Millionen Menschen hat der Krieg verstümmelt und entstellt zurückgelassen.
Am 8. Mai 1945 – heute vor genau 68 Jahren – war der Spuk endlich vorbei. Die Eroberung Berlins durch die Rote Armee zwang die Nazis zur bedingungslosen Kapitulation. Aber von „Kapitulation“ sprechen nur jene, für die dieser Tag eine Niederlage war – wir feiern heute den Tag der Befreiung! Der 8. Mai 1945 war der Tag, an dem der Hölle der Folterkeller, der KZs, der Mordanstalten, der Gaskammern und der Krematorien endlich ein Ende gesetzt wurde.
Als junge Kommunist_innen und Antifaschist_innen betrachten wir es als unsere Aufgabe und unsere Pflicht, heute nicht nur an die zahllosen Opfer des Faschismus zu erinnern, sondern auch an jene Menschen, die alles aufs Spiel gesetzt und aktiv für die Befreiung gekämpft haben. Die internationalen Freiwilligen im spanischen Bürgerkrieg, die Kämpfer_innen der Roten Armee und der Alliierten, die Frauen und Männer im Widerstand und in den vielen Partisaneneinheiten überall in Europa – ihnen gelten heute unser Dank und unser Andenken!
Aber ist der Spuk wirklich vorbei? „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, warnte Bertolt Brecht 1955 vor der weiterhin drohenden Gefahr des Faschismus. In der BRD dauerte es nach dem Krieg nicht lange bis viele Nazis wieder führende Posten in Politik, Wirtschaft und Verwaltung übernehmen konnten. Viele Täter blieben unbestraft. Gleichzeitig wurden Antifaschist_innen, darunter zahlreiche Kämpfer_innen des kommunistischen Widerstands, bald wieder verfolgt und eingesperrt (KPD-Verbot, Berufsverbote etc.). Heute organisieren sich die Nazis, Rassisten und Nationalisten überall in unserer Umgebung, während der Staat gegen Antifaschist_innen immer härter vorgeht. Rechte Gewalttaten bis hin zu rassistischen Morden auf offener Straße häufen sich. Der Staat knüppelt den Nazis bei ihren Aufmärschen trotzdem regelmäßig gegen unseren Widerstand die Straßen frei. Zwar ist klar, dass wir derzeit nicht in einem faschistischen Staat leben. Dennoch stellen sich einige Fragen, die einen beängstigenden Beigeschmack haben. Wie konnte der sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) über mehrere Jahre Menschen ermorden, obwohl staatliche Organe vom Treiben der Gruppe wussten? Wieso wird eine faschistische Partei wie die NPD durch Steuergelder finanziert, obwohl Mitglieder dieser Partei den „NSU“ mit Waffen versorgten?
Für uns steht fest: Die Nazis standen noch nie auf unserer Seite – der Seite der Arbeiterklasse, der arbeitenden und lernenden Jugend – sondern immer auf der Seite des Kapitals. Deshalb gilt für uns damals wie heute:
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!