Wir sind gestern (5. Januar 2015) mit rund 8000 Menschen gegen die rassistische Pegida-Bewegung („Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“) auf die Straße gegangen. Die Kundgebung auf dem Schlossplatz wurde vom Verein „Die AnStifter“ präventiv auf den Verdacht hin organisiert, dass ein Pegida-Ableger in Stuttgart an diesem Tag das erste Mal ihren gequirlten Schwachsinn von sich geben könnte. Dazu kam es wohl nicht: Auf der Kundgebung selber scheinen keine erkennbaren Anhänger der islamfeindlichen Bewegung anwesend gewesen zu sein und von einer Kundgebung oder Demonstration anderswo in Stuttgart war auch nichts zu hören.
Zunächst einmal ist es erfreulich, dass derartige menschenverachtende Ideologien sich in den Straßen Stuttgarts kein Gehör verschaffen konnten. Der gestrige Protest offenbarte allerdings auch einige Schwächen – was bei dem Spektrum der RednerInnen eigentlich auch nicht überrascht. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn, der Pfarrer Eberhard Schwarz von der Stuttgarter Hospitalkirche und die Landesvorsitzende der GEW appellierten vor allem an das Mitgefühl für Asylsuchende, forderten ein „Zeichen für eine Kultur des Helfens gegen Fremdenfeindlichkeit“ und wollten den „Glauben“ der Flüchtenden an das „demokratische Deutschland“ sowie die „Menschenrechte“ festigen. Nebenbei wurden die dezentralen Stuttgarter Asyleinrichtungen hochgelobt (über deren Zustand wir selbst zu wenig wissen um ihn beurteilen zu können) und fast war vergessen, was eigentlich das Problem war – achja: Diese Pegida. Die wurde zumeist auf folgende Art und Weise gedeutet: Nicht alle von ihnen seien Nazis, manche seien auch „frustriert“, hätten „Abstiegsängste“ (Kuhn) oder hegten „Zukunftsängste“ die zum Teil auch „berechtigt“ seien (Schwarz). Da ist natürlich was dran – und doch bleibt es in dieser Kurzfassung falsch, denn eine eigentliche Erklärung liefert es nicht. Ebensowenig lässt sich die Dummheit der Anhänger für das Phänomen Pegida herbeiziehen – wobei wir ja durchaus den Eindruck haben, dass sie hier und da auch nachhilft. Letzten Endes hätten die RednerInnen stattdessen die gesellschaftlichen Gründe für Pegida benennen müssen, und daran scheitern sie notwendigerweise. Eine Begründung könnte ansetzen bei den Hartz IV Reformen, die einen Teil der von der Arbeiterbewegung erkämpften sozialen Errungenschaften rückgängig gemacht haben und die soziale Absicherung von Millionen von Menschen pulverisierten. Eine Begründung könnte auch bei der rassistischen Hetze von Angela Merkel & Co gegen die Bevölkerungen Griechenlands, Italiens oder Portugals anfangen und fortschreiten zu den Mechanismen, mittels derer Deutschland seine imperialistischen Interessen in der EU und weltweit durchdrückt. Oder aber eine Begründung könnte damit beginnen, dass im Mittelmeer jedes Jahr mehrere Tausend Menschen ertrinken während die EU einen Friedensnobelpreis entgegennimmt: Wir hören immer wieder, wie toll Europa ist und dass Europa eine starke Stellung in der Welt einnehmen muss – müssen wir uns dann wundern, wenn selbsternannte „patriotische Europäer“ auf die Straße gehen? Die Freiheit, die Menschenwürde und der Schutz des Individuums, an welche gestern auf dem Schlossplatz unermüdlich appelliert wurde, dies alles existiert im eigentlichen Sinne nur für einen kleinen Teil aller Menschen in Europa. Letzten Endes sind es die Profitinteressen des Kapitals welche dafür sorgen, dass Rassismus und Nationalismus gedeihen können. Der Kapitalismus leistet diesen Ideologien Vorschub, denn sie spalten die Arbeiterklasse und rechtfertigen die Ausbeutung anderer Völker. Eine größtenteils bürgerliche Kundgebung wie die gestrige wird wohl eher nicht zu einer solchen Ansicht gelangen. Einen kleinen Lichtblick stellte gegen Ende der Kundgebung zumindest noch Andreas Lindner vom Flüchtlingsrat dar.
Wir werden in jedem Fall auch in Zukunft gegen Pegida, Nazidemos und alle anderen rechten Umtriebe auf die Straße gehen. Wir tun dies nicht nur, um die rassistische Grundstimmung zu drosseln und das Leben für alldiejenigen zumindest ein wenig erträglicher zu machen, die dem Alltagsrassismus und oft genug auch körperlicher Gewalt ausgesetzt sind. Wir tun dies in unserem eigenen Interesse: Eine kapitalistische Gesellschaft wird nie eine freie Gesellschaft sein, aber immer auf Ausbeutung und Unterdrückung beruhen. Nur gemeinsam werden wir den Kapitalismus überwinden!