Unabhängige Bildung? – Der Einfluss von Unternehmen auf unseren UnterrichtWer sich damit beschäftigt, an welchen Stellen Unternehmen direkt oder indirekt Einfluss auf den Schulunterricht in Deutschland nehmen, merkt schnell, dass die eigentliche Frage lautet: „Wo nicht?“. Vielfältiger als die Ziele des Lobbyismus an Schulen sind nur die eingesetzten Methoden: Der Schul-Lobbyismus hat sich seit den 90er-Jahren stetig weiterentwickelt und ist heute ein regelrechter Profisport.
DIE ZIELE DER UNTERNEHMEN
Gegen eine geringe Spende an den Förderverein einer Grundschule sangen Zweitklässler in einer REWE-Filiale im Dezember 2017 ein Loblied auf die Supermarktkette. Was sich lächerlich anhört, steht beispielhaft für eine gängige Werbepraxis. Durch Spenden oder die Organisation von Wettbewerben werben Sparkassen, Supermärkte oder die lokale Bäckereikette für ein möglichst positives Image. Doch nicht immer kommt die Einflussnahme so plump daher. Die Ziele von Lobbyismus an Schulen lassen sich grob kategorisieren: Direkte Werbung für Produkte oder Unternehmen, Beeinflussung von Unterrichtsinhalten, Anpassung des Schulsystems an unternehmerische Bedürfnisse. Dabei hat vor allem der Einfluss von Unternehmen auf Unterrichtsinhalte und die Gestaltung des Schulsystems mittlerweile beängstigende Ausmaße angenommen.
DIE METHODEN UND AKTEURE
Die wohl wichtigsten Methoden zur Beeinflussung von Unterrichtsinhalten sind die Bereitstellung kostenloser Unterrichtsmaterialien und das Anbieten von Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte. Von den 30 DAX-Unternehmen stellen knapp 75% direkt oder über Stiftungen bzw. Dachverbände Unterrichtsmaterialien zur Verfügung. Diese Materialien sind in der Regel modern gestaltet, didaktisch hochwertig und „ready to use“. Gerade in Zeiten von chronisch unterfinanzierten Schulen (Stichwort Schuldenbremse) und Lehrkräftemangel, sind diese kostenlosen Materialien für überarbeitete LehrerInnen äußerst attraktiv. Ein Schelm, wer bei von der deutschen Autoindustrie erstellte Materialien zum Thema Nachhaltigkeit oder bei vom Lebensmittelhersteller Roché finanzierten Materialien zu gesunder Ernährung und Diabetes eine verfälschte Darstellung der zu vermittelnden Inhalte vermutet. Dabei verbergen sich die Unternehmen meist hinter (oft eigens für diesen Zweck geschaffenen) Stiftungen mit wohlklingenden Namen wie „Stiftung Lesen“ oder „Institut für ökonomische Bildung“.
INTERESSEN HINTERFRAGEN
Auch die Digitalisierung der Klassenzimmer wird von Unternehmen missbraucht. Denn bei einer flächendeckenden Umrüsten schlummern hier jährlich ca. drei Milliarden Euro Umsätze durch Hardware-Einkäufe. Und auch Programme für den Einsatz im Unterricht werden von Firmen wie Apple und Microsoft genutzt, um die Lehrkräfte zu abhängigen Werbefiguren zu machen. Die zahlreichen Arten der Einflussnahme durch Unternehmen, v.a. ihre subtileren Methoden, lassen sich hier nicht mal ansatzweise darstellen. In jedem Fall lohnt sich ein Blick ins Impressum Eurer Unterrichtsmaterialien: Wer hat die Materialien erstellt? Wer oder was verbirgt sich dahinter? Welches Interesse verfolgen die Ersteller damit? Allein, solche Fragen im Unterricht aufzuwerfen, sorgt bei dem Einen oder der Anderen vielleicht schon für ein Aha-Erlebnis.
[Leon, Hamburg]
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