mit diesem offenen Brief machen wir auf den Umstand aufmerksam, dass seit über einem Jahrzehnt mit dem Türkisch Nationalen Kulturverein eine faschistische Organisation auf einem als multikulturell angepriesenen Stadtteilfest teilnimmt. Darüber hinaus formulieren wir einen Konsens, der Eckpunkte benennt, die wir für ein gemeinsames und offenes Stadtteilfest für unabdingbar halten. Wir fordern mit diesem Brief zum wiederholten Male von den Verantwortlichen, also von der Stadtverwaltung Stuttgart, vom Handels- und Gewerbeverein und vom Bezirksbeirat Stuttgart-Ost, dass sie handeln und den „Türkisch Nationalen Kulturverein“ von der Langen Ost Nacht auszuschließen.
Zum Hintergrund des Türkisch Nationalen Kulturvereins und der MHP
Auf der Homepage der Stadt Stuttgart wird benannter Verein unverfänglich als islamische Einrichtung/Gemeinde gelistet. Doch bereits durch eine kurze Recherche wird ersichtlich, dass sich dieser Verein doch deutlich von anderen islamischen Gemeinden unterscheidet.
Der Türkisch Nationale Kulturverein ist einer von vielen regional organisierten Türkisch Nationalen Vereinen, die im Dachverband der „Türk Federasyon“ zusammengeschlossen sind. Diese lokalen Vereine machen keinen Hehl aus ihrer ideologischen und strukturellen Nähe zur faschistischen Partei der Türkei MHP (Partei der nationalistischen Bewegung). Diese stellt zurzeit gemeinsam mit der AKP die Regierung in der Türkei und ist damit aktiv an der Verfolgung Oppositioneller und dem Umbau der Türkei in eine Diktatur beteiligt. Doch vor allem die fast 60-jährige Geschichte dieser Organisation gibt Aufschluss über deren Charakter.
Seit ihrer Gründung in den sechziger Jahren verfolgt die größte Organisation der türkischen Rechten mit der Ideologie des Panturkismus die Schaffung eines großtürkischen Reiches unter der Führung der Türkei. In diesem Kampf wenden sie sich gegen Jede und Jeden, die oder der nicht in ihre Definition des Türkentums passt oder dieser widerspricht. Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Antisemitismus und Chauvinismus sind feste Bestandteile ihrer Ideologie. So kam es unter der aktiven Beteiligung der türkischen Faschisten seit der Gründung der MHP in der Türkei zu zahlreichen Pogromen und tausenden Morden an Oppositionellen.
Früh gründete die MHP zahlreiche Exilstrukturen in der BRD, um ihre Ideen unter der türkischen Gemeinde in Deutschland zu verbreiten und dies mit Erfolg. Die Türkisch Nationalen Kulturvereine veranstalten regelmäßig neben Kultur- und Sportevents auch ideologische Schulungen und Veranstaltungen für tausende MitgliederInnen (beispielsweise im Gedenken an türkische Faschisten).
Die Bundeszentrale für politische Bildung nennt die „Türk Federasyon“ die „größte rechtsextreme Organisation“ in Deutschland.
Die Teilnahme der türkischen Faschisten an der Langen Ost Nacht kann nicht getrennt von diesem Hintergrund betrachtet werden. Im Gegenteil. Mit Aktionen wie diesen etablieren sie sich und ihr menschenverachtendes Gedankengut wird peu à peu gesellschaftliche Normalität.
Mit diesem Wissen halten wir es für unumgänglich den Türkisch Nationalen Kulturverein von der Langen Ost Nacht auszuschließen. Uns ist es unverständlich warum einer Organisation, welche in Ideologie und Praxis den Ausschluss von Menschen aus der Gesellschaft fordert und vorantreibt, eine Bühne geboten wird, auf der sie sich als harmloser Kulturverein präsentieren kann. Es ist unverständlich, warum hier eine faschistische Organisation, welche demokratische Rechte verachtet und abschafft, genau diese nutzen kann, um ihre Politik der Ausgrenzung zu normalisieren.
Auf Stadtteilfesten und auch in sonstigen Bereichen des Lebens hat rechtes Gedankengut – egal mit welchem nationalen Hintergrund – nichts verloren.
Da uns als AnwohnerInnen des Stadtteils, BesucherInnen und TeilnehmerInnen der Langen Ost Nacht diese lieb und wichtig ist, haben wir einen Konsens formuliert. Dieser Konsens spricht sich für eine LON aus, in der sich die Menschen unabhängig von ihren ethisch-kulturellen Hintergründen wohlfühlen und die nicht von rechten Kräften für ihre Zwecke instrumentalisiert werden kann.
Konsens
In Stuttgart-Ost leben eine Vielzahl an Menschen aus unterschiedlichen Nationen und mit unterschiedlichen Religionen zusammen. Ein solches Zusammenleben kann langfristig nur dann friedlich gestaltet werden, wenn Ideologien, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion und/oder ihres Geschlechts diskriminieren eine klare Absage erteilt wird. Wir stehen für einen Stadtteil und dementsprechend für ein Stadtteilfest, welches die Idee des gemeinsamen Zusammenlebens widerspiegelt. Diskriminierendes Gedankengut steht dieser Idee fundamental entgegen.
Gerade in der heutigen Situation hat solches Gedankengut leider wieder Konjunktur und daher möchten wir ein klares Zeichen für ein Stadtteilfest setzen, dass für alle Menschen offen ist und menschenfeindlichen Organisationen keine Bühne bietet. Auf der Langen Ost Nacht gibt es keinen Platz für Faschismus, Antisemitismus, Homophobie, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Chauvinismus. Kurz gesagt: Keinen Platz für menschenverachtendes Gedankengut! Initiativen, Vereine und Organisationen, die diese Ideologien vertreten und propagieren haben daher nichts auf der Langen Ost Nacht zu suchen.
Initiative „Keine Faschisten auf der Langen Ost Nacht“
Juni 2019