„Die Toten mahnen die Lebenden!“ // Antifaschistischer Totensonntag in Reutlingen

Veröffentlicht am: 23. November 2014
Dieser Beitrag wurde in unserer Kategorie "Allgemein" veröffentlicht

Auch an diesem 23. November 2014 hatte die Kreisvereinigung der VVN-BdA in Reutlingen wieder zu ihrer traditionellen Totensonntags-Gedenkfeier an die Opfer des Faschismus eingeladen. Gemeinsam mit dem Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus (OTFR) beteiligte sich auch die SDAJ Tübingen an der Veranstaltung. Zum ersten Mal seit vielen Jahren wurde die Veranstaltung wieder von zahlreichen Jugendlichen besucht. Rednerinnen und Redner aus dem antifaschistischen Spektrum von Gewerkschaften über die Partei die Linke bis zu uns als kommunistischem Jugendverband erinnerten an die Opfer der Naziherrschaft und mahnten zur Wachsamkeit – denn der Faschismus existiert nicht nur in den Geschichtsbüchern, er ist auch heute noch eine Bedrohung!

Deshalb: Werde aktiv gegen Faschismus und Rassismus und mach mit im OTFR! Das offene Treffen findet jeden zweiten Montag im Monat um 20:00 im Klubhaus (Wilhelmstraße, direkt gegenüber der Neuen Aula) statt.

Redebeitrag der SDAJ Tübingen:

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

Liebe Genossinnen und Genossen,

Heute, am Totensonntag, gedenken wir gemeinsam allen Opfern des deutschen Faschismus und eine Losung, die uns dabei stets begleitet heißt „die Toten mahnen die Lebenden“. Doch was bedeutet das konkret? Die Zeit des deutschen Faschismus ist weder einfach als „dunkles Kapitel der deutschen Geschichte“ abzutun, noch mit einem Gedenkstein, wie groß und beeindruckend er auch immer sein mag, zu „bewältigen“. Hier ist ein aktives und vor allem politisches Gedenken zwingend notwendig und damit verbunden auch der aktive Kampf gegen Rassismus und Faschimus. Beide sind mit dem 8. Mai 1945 leider nicht vom Erdboden verschwunden. Geschichte darf nicht vergessen, ignoriert, beschönigt oder gar geleugnet werden. Es ist unsere Aufgabe als junge Antifaschistinnen und Antifaschisten, als Kommunistinnen und Kommunisten die Erinnerungen an die Verfolgten, die zu Tode gequälten und Ermordeten lebendig zu behalten. Aber auch diejenigen, die Widerstand im Untergrund oder im Konzentrationslager geleistet oder als SoldatInnen und PartisanInnen zur Befreiung vom Faschismus beigetragen haben, dürfen dabei nicht vergessen werden.

Kurt Julius Goldstein, Jude und Kommunist, der in Buchenwand die Häftlingsnummer 58.866 zugewiesen und eintätowiert bekam, wurde Vor 100 Jahren geboren. Er war bereits in jungen Jahren Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands und kämpfte ab November 1936 als Interbrigadist im Spanischen Bürgerkrieg, wurde nach der Demobilisierung der Brigaden in Frankreich interniert, im Juli 1942 an das faschistische Deutschland ausgeliefert und nach Auschwitz verschleppt. Er überlebte 30 Monate im Konzentrationslager und im Januar 1945 den Todesmarsch ins KZ Buchenwald. Unentwegt gemahnte der engagierte Antifaschist in Zeitzeugengesprächen an die Gräuel der Nazidiktatur. Dabei war es ihm immer sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass es auch in den Konzentrationslagern viele Widerstandsaktionen gab. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er dazu:

„Es hat in Auschwitz nicht einen Tag gegeben, an dem nicht Menschen erschlagen, erschossen, erhängt und vergast wurden. Unmenschlich ist jeder Tag gewesen! Aber es hat auch keinen Tag gegeben, an dem Juden, Nichtjuden, Kommunisten und Nichtkommunisten nicht Widerstand geleistet haben. Wenn man nicht beide Seiten sieht, macht man sich ein falsches Bild von Auschwitz“.

Die Befreiung erlebte er in Buchenwald, in dem Lager also in dem es eine illegale Lagerorganisation gab, die den Beschluss gefasst hatte, das Lager mit militärischen Mitteln zu befreien. Über die Befreiung durch die Amerikanische Armee schreibt er: „Die Befreiung war eine zweite Geburt. Ich habe immer daran geglaubt, daß wir den Faschismus besiegen und ich zu den Siegern gehören werde. Auch in den schlimmsten Zeiten in Auschwitz habe ich eigentlich nicht ans Sterben gedacht. Ich hatte keine Angst vor dem Tod. Das Wichtigste für mich, um zu überleben, war die Entschlossenheit, diesen Kampf zu Ende zu führen.“ Bertolt Brecht schrieb bereits in den 40er Jahren, dass der Schoß noch fruchtbar sei, aus dem der Faschismus kroch. Damit wollte er seine Zeitgenoss_innen vor der Möglichkeit einer neuen faschistischen Gefahr warnen. Diese Warnung hat heute nichts von ihrer Aktualität verloren. Wir leben in einem Staat, der bei jeder Gelegenheit marschierenden Neonazis die Straßen frei prügelt. Engagement gegen Faschismus und Rassismus wird systematisch verfolgt, kriminalisiert und in der Öffentlichkeit diffamiert. Und all das geschieht im selben Land, in dem eine neonazistische Terrorgruppe namens NSU jahrelang unter der schützenden Hand des sogenannten Verfassungsschutzes Menschen ermorden konnte. Und deswegen liegt es an uns, an den nachfolgenden Generationen, den Kampf, der für Goldstein einer der Gründe war, dass er nicht aufgegeben hat und für sein Überleben kämpfte, weiter zu führen und hoffentlich auch zu einem Ende zu bringen. Dafür muss an alle Opfer des Faschismus gedacht werden, also auch an die Soldaten der allieerten Armeen, die im Kampf gegen diese Tyrannei ihr Leben lassen mussten. Die Sowjetunion hatte im Krieg gegen den deutschen Faschismus mit über 25 Millionen Toten die meisten Opfer zu beklagen – Auch diesen Opfern gilt heute unser Gedenken.

Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschismus

 

Nachtrag: Die Antisemitismus-Analyse der Redebeiträge von Linksjugend ’solid Reutlingen und der Partei Die Linke teilen wir nicht.  

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