Was wir gerne noch gesagt hätten…
Am 6. Mai 2015 waren wir auf folgender Veranstaltung des Tübinger Infoladens eingeladen:
Organisiert euch, denn wir brauchen eure ganze Kraft?! Link(sradikal)e Organisierungen stellen sich vor.
Ist die Zeit der autonom-selbstorganisierten Kleingruppen und Netzwerke vorbei? In den letzten paar Jahren ist eine Wiederkehr der Organisierungsdebatte in der (radikalen) Linken zu beobachten. Bundesweit wie auch lokal in Tübingen gründen sich neue Gruppen nicht als eigenständige Kleingruppen, sondern schließen sich neuen oder schon lange bestehenden Organisierungen an. Wir haben mehrere Gruppen eingeladen und wollen erfahren, warum sich heutzutage (junge) radikale Linke in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) oder der Sozialistischen Jugend – die Falken zusammenfinden. Was bringt Leute dazu, sich in neue, zeitraubende Organisierungsdebatten der interventionistischen Linken (iL) zu begeben oder sich bei Ums Ganze zu organisieren? Und warum gibt es schon lange bestehende Gruppen mit ganz eigener Geschichte und Struktur, wie die Tübinger Gruppe ZAK (die dem BUKO nahesteht) und die Frauengruppe Zumutung, sowie eigenständige Antifa-Gruppen wie die ART und was halten diese von den aktuellen Organisierungsbestrebungen? (Veranstaltungsankündigung der Infoladengruppe Tübingen)
Da auf dem Podium für die Beantwortung jedes der drei Fragekomplexe nur jeweils drei Minuten zur Verfügung standen, musste vieles ungesagt und unbeantwortet bleiben. Das wurde nicht zuletzt durch die vielen Fragen deutlich, die uns nach Ende des Podiums noch gestellt wurden. Deshalb haben wir uns entschieden, die Antworten, die wir mit etwas mehr Zeit und Ruhe gerne gegeben hätten, in Form eines Interviews zu verschriftlichen und öffentlich zugänglich zu machen. An dieser Stelle nochmal vielen Dank für die Einladung sowie für die Fragen, die Kritik und natürlich den Support aus dem Publikum! Viel Spaß beim Lesen.
Runde 1: Wer seid ihr und seit wann gibt es Euch? Vor welchem politischen Hintergrund und mit welcher Zielsetzung habt Ihr Euch gegründet? Die SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) gibt es seit Mai 1968. Entstanden ist unsere Organisation aus der Lehrlingsbewegung, damals als marxistischer Jugendverband hauptsächlich für SchülerInnen und Azubis. Zum Zeitpunkt der „Studentenrevolte“ von 1968 waren Tausende linke Studis im SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) organisiert. Für SchülerInnen gab es damals außerdem noch die Assoziation unabhängiger sozialistischer Schüler (AUSS). Als der SDS aus der SPD ausgeschlossen wurde und sich immer mehr in einen „antiautoritären“ und einen eher „orthodox-marxistischen“ Flügel aufspaltete, setzte ein regelrechter Gründungsboom neuer linker Gruppen und Organisationen ein.
Obwohl es damals eine wachsende und sehr kämpferische Lehrlingsbewegung gab, blieb der linke Gründungsboom erstmal auf das akademische Milieu beschränkt. Einen sozialistischen Jugendverband für Arbeiterjugendliche gab es nicht. Diese Lücke wurde dann durch die Gründung der SDAJ geschlossen. Damals waren die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) und die FDJ (Freie Deutsche Jugend) in der BRD seit über zehn Jahren verboten. Das heißt die Gründung der SDAJ war auch eine Art Testballon für die KommunistInnen in Westdeutschland, um auszuloten, was dieser Staat in dem durch die Studentenbewegung veränderten gesellschaftlichen Klima nun tatsächlich erlauben würde. Kurz nach der SDAJ wurde dann die DKP (Deutsche Kommunistische Partei) als Nachfolgepartei der illegalen KPD gegründet.
Ganz allgemein gesprochen stehen wir also in der Traditionslinie der marxistischen Arbeiterbewegung, und dabei im Besonderen der KPD und des KJVD (Kommunistischer Jugendverband Deutschlands) der Weimarer Republik (Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht) sowie des kommunistischen Widerstands gegen den Faschismus (Ernst Thälmann, Internationale Brigaden, etc.). Viele der GenossInnen, die nach 1945 die KPD neu formierten, wurden durch das 1956 erlassene KPD-Verbot von den selben Richtern wie schon unter Hitler zurück in die selben Gefängnisse geschickt, in denen sie in der Zeit des NS-Regimes gesessen hatten.
Die SDAJ war aber von Anfang an nicht nur Anlaufstelle für Lehrlinge, sondern für alle jungen Marxisten-Leninisten. Heute verstehen wir uns als kommunistische Jugendorganisation für die gesamte lernende und arbeitende Jugend (SchülerInnen, Studis, Azubis, junge Arbeiterinnen und Angestellte, etwa zwischen 14 und 30). Dass in unserem Organisationsnamen „deutsch“ steht, bedeutet selbstverständlich nicht, dass „deutsch sein“ zu den Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der SDAJ gehört. Ganz egal, woher jemand kommt, was in ihrem oder seinem Pass steht, ob er oder sie nur vorübergehend in Deutschland lebt, in der SDAJ sind alle Menschen willkommen, die zur Zeit ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben und bereit sind, mit uns für unsere gemeinsamen Ziele zu kämpfen.
Heute gibt es über 30 SDAJ-Ortsgruppen, verteilt auf die gesamte Bundesrepublik, wenn auch bisher aus historischen Gründen noch stärker im Westen als im Osten. Laut Verfassungsschutzbericht von 2014 haben wir bundesweit etwa 500 Mitglieder (und wer wären wir, uns anzumaßen, die statistischen Erhebungen einer deutschen Staatsbehörde nach oben zu korrigieren? ;-). Die Tendenz geht in den letzten Jahren spürbar in Richtung Wachstum. Wir werden nicht nur mehr, sondern festigen auch unsere Organisationsstrukturen und unsere lokale Verankerung.
Die Ortsgruppe Tübingen wurde erst 2012 neu gegründet, vorher hatte es in unserer Stadt lange keine SDAJ-Gruppe mehr gegeben. Entstanden sind wir damals aus Teilen der Marxistischen Aktion Tübingen. Die MAT hatte etwa drei Jahre lang als eine Art Sammlungsplattform für junge KommunistInnen in Tübingen fungiert. Dabei spielte allerdings von Anfang an die Einheit von Theorie und Praxis eine wichtige Rolle. Die MAT war mit zahlreichen Aktionen, Veranstaltungen und Mobilisierungen präsent und in lokalen und überregionalen Bündnissen aktiv. Mit ihren klassenkämpferischen Positionen hat die Gruppe sich damals auch in der Tübinger linken Szene nicht nur Freunde (und Freundinnen) gemacht. Warum haben wir damals nicht einfach so weiter gemacht wie bisher?
Ab Frühjahr 2012 begannen wir eine Organisationsdebatte zu führen, in der sich für einen Teil der MAT GenossInnen folgende Punkte als zentrale Schwächen unseres damaligen Organisationsansatzes herauskristallisierten: (1.) Eine autonome Kleingruppe genügt uns als KommunistInnen nicht, wir brauchen eine starke, bundesweit handlungsfähige Organisationsstruktur, die Kontinuität und Koordination über den lokalen Rahmen hinaus ermöglicht. Das 3A-Bündnis, in dem wir damals bundesweit aktiv waren, war aus unserer Sicht gescheitert. Die SDAJ erschien uns nach langer Diskussion der vernünftigste bereits bestehende Ansatz zu sein. (2.) Wir wollten raus aus der Isolation der linken Szene! Als MAT waren wir wohl oder übel von den Räumen und der Infrastruktur der subkulturell-alternativen Hausprojekte (etc.) in Tübingen abhängig. In diesen Räumen tummelt sich nunmal das immer gleiche Klientel. Zahlreiche soziale Gruppen, die wir mit unserer Politik ansprechen wollen, werden dabei ausgegrenzt. Wir wollten also weg von der Bindung an das linke Szene-Biotop und uns stattdessen auf massenwirksame, klassenorientierte Politik orientieren. Auch die Grabenkämpfe innerhalb der linken Szene (z.B. gegen sog. „Antideutsche“) stellten sich für uns letzten Endes als recht unproduktiv heraus. (3.) Wir wurden uns darüber einig, dass die Verankerung in der Arbeiterklasse unser strategisches Hauptziel sein muss. Es ging uns also darum, aktive, klassenorientierte Agitations- und Bildungsarbeit zu entwickeln, anstatt den zufälligen Trends der Szenepolitik nach zu traben. In dieser Frage war uns die SDAJ schon um Längen voraus und es gab für uns erstmal jede Menge zu lernen und nachzuholen. Die systematische Orientierung auf Gewerkschaftsarbeit und Interessenvertretung in Schulen und Betrieben (zum Beispiel) war für uns damals noch völliges Neuland.
Warum gibt es Euch (Ortsgruppe und ggf. Gesamt-Organisation)? Warum es uns gibt ist leicht auf den Punkt gebracht: Weil wir den Kapitalismus abschaffen und für eine Gesellschaft ohne Klassen, Ausbeutung und Staatsmacht kämpfen wollen, in der die Produktionsmittel allen gehören und zur Befriedigung der Bedürfnisse aller anstatt zur Bereicherung weniger eingesetzt werden – das nennen wir dann Kommunismus. Die Frage, wie das zu machen ist und wie wir dort hin kommen wollen, ist natürlich sehr viel schwieriger zu beantworten, aber dazu später mehr.
Wir gehen davon aus, dass die Gesellschaftsanalyse von Marx und Engels ihren wesentlichen Grundzügen auch heute noch zutrifft, dass der Grundwiderspruch in der kapitalistischen Gesellschaft also der Klassenwiderspruch zwischen Kapitalisten und Arbeiterklasse ist. Auf die ein oder andere Weise betrifft dieses Verhältnis uns alle, weitgehend unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung. Wenn wir nicht selbst KapitalbesitzerInnen sind, müssen wir unsere Arbeitskraft verkaufen, um leben zu können oder von der Arbeitskraft anderer leben (in der Familie von der der Eltern oder des Partners, als Studi oder Hartz 4 EmpfängerIn von dem Teil der gesellschaftlichen Mehrarbeit, den mir der Staat für meine prekäre Existenz gerade noch so zugesteht). Wenn wir von Arbeiterklasse reden, dann meinen wir natürlich nicht das Klischee vom schwitzenden, hammerschwingenden Stahlarbeiter, sondern alle lohnabhängig Beschäftigten, vom Facharbeiter in der Automobilindustrie bis zur Erzieherin oder prekären Putzkraft. Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit kann nur durch den organisierten Kampf der großen Mehrheit der (lohnabhängigen) Menschen gelöst werden. Wenn wir den Kapitalismus abschaffen und eine wirkliche Alternative aufbauen wollen, muss Ziel dieses Kampfes der revolutionäre Bruch mit dem kapitalistischen System, die Eroberung der politischen Macht der Arbeiterklasse und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel sein. So weit, so bescheiden.
Warum nennen wir uns „Marxisten-Leninisten“? Bestimmt nicht, weil das in Deutschland gerade besonders hip und modisch ist. Trotzdem beharren wir auf den zentralen Erkenntnissen, durch die Lenin die marxistische Theorie bereichert und weiterentwickelt hat. Wir teilen Lenins Imperialismusanalyse, gehen also davon aus, dass das kapitalistische Weltsystem sich unmöglich friedlich und frei von immer neuen und tieferen Krisen entwickeln kann. Die Bewegungen, die in den abhängigen und ausgebeuteten Ländern gegen den Imperialismus kämpfen (sei es auf Kuba, in Venezuela, in Griechenland oder in Kurdistan), sind unsere Verbündeten im Kampf gegen die Monopole im eigenen Land. Außerdem gehen wir mit Lenin davon aus, dass die revolutionäre Bewegung eine revolutionäre Organisation braucht, die nicht in bunter Beliebigkeit alle spontanen Launen und Trends der sozialen Bewegungen mitvollzieht, sondern alle gesellschaftlichen Konflikte konsequent auf die Klassen- und letztlich die Systemfrage zuspitzt. Um uns gegen die Angriffe des bürgerlichen Staats wehren zu können, brauchen wir eine disziplinierte Organisation, die auf Basis der gesammelten Kampferfahrungen der Klasse systematisch eine revolutionäre Strategie und Taktik entwickelt. Eine solche Organisation und Bewegung brauchen wir in der BRD heute mehr denn je – die sogenannte Linke ist marginal, schwach, gespalten und durchsetzt von einerseits allerlei reformistischen Illusionen und andererseits einem völlig isolierten und blinden Radikalismus (wie sich z.B. sehr gut an den euphorischen Reaktionen „linksradikaler“ Gruppen auf den sozialdemokratischen SYRIZA-Wahlsieg in Griechenland ablesen ließ, aber das ist wieder ein anderes Thema…).
Runde 2: Zu welchen Themen arbeitet Ihr (lokal, überregional)? Nach welchen Kriterien wählt Ihr Themen aus, zu denen Ihr arbeitet? Wir arbeiten zu allen Themen, an denen sich im weitesten Sinne die Widersprüche des Kapitalismus aufzeigen lassen. Wir gehen also immer von der Frage aus: Wo und in welchen Zusammenhängen werden junge Menschen am unmittelbarsten mit den Widersprüchen des kapitalistischen Systems konfrontiert? Was kotzt Jugendliche am kapitalistischen Alltag am meisten an? Und ganz wichtig: wo gibt es das größte Potential, dagegen kollektiv anzukämpfen? Das Spektrum unserer Themen reicht also von SchülerInnenpolitik (z.B. in Bildungsstreiks, Kampf gegen G8, etc.), Arbeiterjugendpolitik (miese Ausbildungsbedingungen, Jugendarbeitslosigkeit), Antimilitarismus (Bundeswehr raus aus den Schulen!), Antifaschismus (Kampf gegen Nazis und Rassismus in der Schule, im Betrieb und auf der Straße), Frauen-, Flüchtlings-, Mietenpolitik u.s.w… Außerdem sind wir über den Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) und ein Netzwerk europäischer kommunistischer Jugendorganisationen international vernetzt und kämpfen gemeinsam mit Jugendlichen aus der ganzen Welt gegen Imperialismus, Krieg und das Krisenregime der EU.
In unserer politischen Praxis versuchen wir immer an den konkreten Problemen, Erfahrungen und Interessen der Leute anzuknüpfen. Wir wollen die Leute also da abholen, wo sie stehen. Dabei machen wir deutlich, wie die Missstände, von denen jugendliche täglich konkret betroffen sind, mit dem Kapitalismus zusammen hängen, worin das gemeinsame Klasseninteresse der großen Mehrheit der Jugendlichen besteht und dass dieses Interesse mit den Interessen des Kapitals unvereinbar ist. Unser Ziel ist dabei immer, dass die Leute selbst aktiv werden und gemeinsame Kampferfahrungen sammeln, sei es in Schülervertretungen oder Bildungsstreiks, betrieblichen Interessenvertretungen, Tarifkämpfen oder in der lokalen Antifa- oder Antimilarbeit.
Welches Verständnis von Politik und gesellschaftlichen Veränderungsprozessen liegt dem zugrunde, welche Strategien verfolgt Ihr? Wir sind der Auffassung, dass es nicht genügt, immer nur abstrakt und lehrmeisterlich die „große Gesamtscheiße“ zu kritisieren (unsere Vorredner von den Falken und LevelUp haben diese als „Staat – Nation – Kapital“ zusammengefasst). Den Kampf gegen die „Gesamtscheiße“ können die Leute nur lernen, wenn sie schon hier und heute im Kleinen mit dem Kämpfen anfangen. Wir vertreten mit Rosa Luxemburg die Auffassung einer Dialektik von Reform und Revolution. Das klingt erstmal kompliziert, ist aber eigentlich ganz einleuchtend: Wir wollen den Kapitalismus (also die „Gesamtscheiße“) abschaffen, nicht besser machen. Trotzdem – oder gerade deswegen – müssen wir überall in der ersten Reihe für Verbesserungen unserer Lebensverhältnisse kämpfen. Nur so können die Leute Kampferfahrung sammeln und Klassenbewusstsein entwickeln. Nur so werden wir als KommunistInnen als zuverlässige Verbündete akzeptiert und können uns verankern. Nur so entsteht überhaupt erst ein Interesse an unseren Standpunkten und unseren theoretischen Erklärungsangeboten. In diesen konkreten Auseinandersetzungen dürfen wir aber nicht die Illusion verbreiten, über Reformkämpfe ließe sich der Kapitalismus Stück für Stück abschaffen. Das geht nur durch den revolutionären Bruch. Reformen sind für uns also nicht einfach ein Selbstzweck, sondern ein taktisches Mittel im Kampf. Ziel ist für uns in jedem Reformkampf, möglichst viele Leute zu politisieren und zu organisieren. Und dazu gehört auch, dass die Leute lernen, dass jede noch so kleine Verbesserung im Kapitalismus immer prekär bleiben wird, dass ein wirklich menschenwürdiges Leben nur jenseits dieses Systems möglich ist. Dieses Bewusstsein zu verbreiten ist unsere Aufgabe. Ohne diese Vorarbeit gibt es keine revolutionäre Perspektive.
Wir unterscheiden uns von den anderen Gruppen auf diesem Podium unter anderem dadurch, dass wir lokale Verankerung und kontinuierliche Kleinarbeit gegenüber der großen Bewegungs- und Eventpolitik anders gewichten. Viele linke Gruppen bündeln ihre ganze Kraft auf medienwirksame Massenevents wie Blockupy oder den Wiener Korporierten Ball (WKR-Ball). Wir halten das für einen Fehler. Diese Events sprechen oft nur die eigene Szene oder die sowieso schon politisierten Leute an, besonders wenn von Anfang an eher die Militanz als die politischen Inhalte im Mittelpunkt der Mobilisierung stehen. Obwohl es bei Blockupy tatsächlich mal wieder gelungen ist, verhältnismäßig viele Leute auf die Straße zu bringen, ist eine solche Fokussierung auf Events trotzdem problematisch, weil sie eben entgegen, anstatt und losgelöst von den alltäglichen Kämpfen vor Ort stattfindet.
Wenn wir unsere lokale Verankerung und die konkreten Interessenkämpfe vor Ort solchen Massenevents unterordnen und letztlich opfern, dann ist auch die mediale Aufmerksamkeit solcher Aktionen wenig wert. Revolutionäre Politik muss auch gemacht werden, wenn gerade kein Naziaufmarsch oder Gipfeltreffen ansteht. Ansatzpunkte dafür gibt es mehr als genug. Letzten Endes stärken uns die „Kämpfe ums Teewasser“ (Bertolt Brecht) vor Ort mehr und langfristiger, auch wenn große Mobilisierungen natürlich eine sinnvolle Ergänzung dazu darstellen können. Deshalb ist unser Anspruch: Jede Genossin und jeder Genosse soll im eigenen Lebensumfeld auch über die SDAJ-Gruppe hinaus politisch aktiv sein, sei es in der SMV an seiner oder ihrer Schule, der JAV oder dem Betriebsrat auf Arbeit, in der Gewerkschaft oder in der lokalen Antifaarbeit (z.B. im OTFR).
Außerdem haben wir ein anderes Verhältnis zur Frage der Militanz, die besonders in der Tradition der autonomen Gruppen fest zum „linken Image“ gehört. In Teilen der Linken Szene herrscht die Auffassung vor, radikal sei nur, wer sich vermeintlich radikaler Kampfmittel bediene, also vermummter Straßenkampf, Barrikaden, etc. Wir sehen das anders. Mit Lenin würden wir den Standpunkt vertreten, dass wir als KommunistInnen prinzipiell alle Kampfformen beherrschen müssen (legale und illegale, friedliche und militante), wir diese aber taktisch klug einsetzen müssen. Die Wirksamkeit einer Kampfmethode hängt von der konkreten Situation und den politischen Kräfteverhältnissen ab, in der sie eingesetzt wird. Radikal ist eine Politik, die das Problem an der Wurzel packt. Die Wurzel unseres Problems mit dem Kapitalismus ist das Privateigentum an den Produktionsmitteln (geschützt durch den bürgerlichen Staat) und der daraus resultierende Klassenwiderspruch, die Krisen usw. Jede politische Praxis, die dazu beiträgt, den Leuten dieses Problem zu Bewusstsein zu bringen und sie zum Handeln zu bewegen, ist also radikal. Im Augenblick bewirken militante Aktionen eher das Gegenteil, wie sich zum Beispiel dieses Jahr bei Blockupy gezeigt hat (auch darüber könnten wir sicher lange diskutieren). Wir schätzen ein, dass sich autonome Kleingruppenmilitanz in der momentanen Situation eher negativ und abschreckend auswirkt und nicht dazu beiträgt, unsere Inhalte zu vermitteln. Unter gewissen Umständen kann sie sogar entgegen ihrer Intention konterrrevolutionär wirken und unseren Gegnern in die Hände spielen. Konsequent klassenkämpferische Gewerkschaftsarbeit genießt vielleicht nicht so ein cooles Image wie der militante Kampf gegen Bullen, bringt uns unseren Zielen aber vorerst deutlich näher. Der in der linken und Antifa Szene weit verbreitet Militanzfetisch trägt im Augenblick nur zu ihrer gesellschaftlichen Isolierung bei – er ist damit gleichzeitig Symptom und Teilursache ihrer Schwäche.
Welche Utopien habt Ihr? Wir würden nicht von „Utopien“ sprechen, sondern von einer konkreten revolutionären Perspektive. Utopien sind Wunschvorstellungen. Diese Wunschvorstellungen haben zwar oft mit den Erfahrungen der alltäglichen Barbarei des Kapitalismus zu tun, bleiben aber harmlose Träumereien, da sie selbst noch nicht den Weg zu ihrer Verwirklichung aufzeigen können. Natürlich haben auch wir als KommunistInnen Ideale, Wünsche und Träume (sonst würden wir wohl kaum einen Großteil unserer Freizeit für die politische Arbeit opfern), aber unseren politischen Kampf richten wir nicht auf Utopien, sondern auf die konkret in der Wirklichkeit enthaltenen Möglichkeiten aus – der „bestimmten Negation“ der herrschenden Verhältnisse. Wir gehen also nicht von Wünschen und Spekulationen, sondern von einer theoretischen Analyse aus. Was muss an der Gesellschaft anders werden, damit sie wirklich anders wird? Das ist die zentrale Frage. Der Sozialismus als Übergangsstadium zum Kommunismus ist aus unserer Sicht eine konkrete und realistische, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit des Kapitalismus enthaltene Möglichkeit. Nicht als utopisches Paradies, das pünktlich zum Sonnenaufgang am Tag nach der Revolution makellos und wie aus dem Ei gepellt vom Himmel fällt, sondern als langer und widerspruchsvoller gesellschaftlicher Aufbauprozess.
Der Podiumsvertreter der iL warf in diesem Zusammenhang die Frage auf, wie wir uns das denn vorstellen würden, dass z.B. das Patriarchat durch die Revolution auf einen Schlag abgeschafft werden soll. Das war ein fast schon klassisches Missverständnis. Genau so stellen wir es uns nämlich nicht vor. Das Geschlechterverhältnis gehört zu den Elementen der bürgerlichen Gesellschaft, die nur in einem allmählichen Prozess überwunden werden können. Zu diesem Prozess gehört unserer Meinung nach zum Beispiel die konsequente Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit, die nicht länger einfach das Privatproblem der Eltern (meistens der Mütter) sein darf, sowie die materielle Unabhängigkeit der Frauen. Dazu gehören aber auch eine andere, auf Emanzipation und Gleichberechtigung abzielende Erziehung und Sozialisation. Wie Marx sagen würde: Die neue Gesellschaft kommt mit den „Muttermalen“ der alten auf die Welt. Und diese „Muttermale der alten Gesellschaft“ werden erst allmählich und durch eine systematische, die gesamte Gesellschaft mit einbeziehende Anstrengung zu überwinden sein. Um diesem Prozess den historischen Horizont zu eröffnen, die Voraussetzungen seiner Verwirklichung zu schaffen, ist allerdings ein revolutionärer Bruch mit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nötig – also der Bruch der politischen Macht des Kapitals.
Runde 3: Stellt die Arbeitsstrukturen Eurer Gruppe und ggf. Gesamt-Organisation bitte etwas genauer vor: Wie seid Ihr strukturiert (in der Ortsgruppe, in der Gesamt-Organisation)? Die SDAJ strukturiert sich in Ortsgruppen, Landesverbände und den Bundesverband. Alle zwei Jahre findet ein Bundeskongress (BuKo) statt, auf dem wir ausführlich über unsere politische Ausrichtung, aktuelle Positionierungen und zukünftige Vorhaben diskutieren. Dabei wird über ein seit dem letzten Kongress entwickeltes Delegiertenprinzip sichergestellt, dass der Kongress in Sachen Alter, Geschlecht, sowie sozialer Herkunft und Stellung der Delegierten den Verbandsdurchschnitt realistisch widerspiegelt. Das finden wir demokratischer als eine Vollversammlung, die als reine Anwesenheitsdemokratie all die Leute bevorzugt, die die Zeit und das Geld haben, sich zu beteiligen, und jene ausschließt, die das vielleicht nicht können oder auch einfach zufällig verhindert sind. Jede Gruppe in der SDAJ ist antragsberechtigt, kann also Einfluss auf die Politik des Gesamtverbandes nehmen, jedes einzelne Mitglied kann sich an der Debatte beteiligen. Alle Anträge an den BuKo werden im Vorfeld in allen (!) Gruppen diskutiert, die Delegierten vertreten auf dem Kongress nicht ihre Privatmeinung, sondern ihre Gruppen. Zwischen den Bundeskongressen wird der Bundesverband durch den Bundesvorstand (man könnte dazu auch Zentralkomitee sagen, aber auf den Begriff kommt es nicht an) vertreten, der die Aufgabe hat, die beschlossene Politik in konkrete Praxis umzusetzen und unsere Handlungsfähigkeit zu garantieren.
Unser Organisationsprinzip ist der demokratische Zentralismus. Besonders im autonomen Spektrum ist das ein ziemliches Buh-Wort. „Ist das nicht total autoritär? Müsst ihr euch wirklich an die von oben kommenden Befehle des ZK halten?“, sind Fragen, mit denen wir oft konfrontiert werden. Ganz im Gegenteil zu diesen Vorurteilen sind wir der Ansicht, dass es sich angesichts der Größe unseres Verbandes beim demokratischen Zentralismus um die demokratischste und am meisten partizipative Organisationsform handelt. Unsere Prinzipien sind: (1.) Freiheit der Diskussion nach innen, Einheit und Verbindlichkeit nach außen. (2.) Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit. Wir diskutieren immer mit dem Ziel, Konsens herzustellen. Wenn das nicht klappt, gilt nach abgeschlossener Diskussion die Mehrheitsentscheidung. (3.) Beschlussverbindlichkeit: Als Mitglied muss ich auch Beschlüsse umsetzen, gegen die ich gestimmt habe. Bei uns gilt nicht das Prinzip der passiven Toleranz, sondern der aktiven Beschlussdisziplin. Wäre das nicht der Fall, könnten wir uns die Diskussionen auch sparen… Ziemlich autoritär finden wir dagegen viele autonome Plenastrukturen, in denen meist informelle Hierarchien vorherrschen und wo nach ewigen Diskussionen am Ende doch jede und jeder macht, was er oder sie will. Das Konsens- und Vetoprinzip vieler linksautonomer Zusammenhänge fordert zwar nicht die vermeintlich „autoritäre“ Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit, institutionalisiert dafür aber die Diktatur der kleinstmöglichen Minderheit.
Die Einheitlichkeit und Verbindlichkeit unserer politischen Positionen gehört zu unserem Demokratieverständnis dazu. Wer für die SDAJ öffentlich auftritt, der hat auch ihre Positionen zu vertreten. Pluralismus und Beliebigkeit in zentralen strategischen und taktischen Fragen halten wir für eine Schwäche, die (1.) die Leute, die wir ansprechen wollen, verwirrt, (2.) Spaltung und Angriffe von außen erleichtert und (3.) ein gemeinsames Vorgehen und Konzentration aller Kräfte auf die strategisch wichtigen Ziele verunmöglicht. Beispiele: Die iL hat sich zwar mehr oder weniger eindeutig gegen den Krieg in Syrien positioniert, einzelne Gruppen haben trotzdem über die Kampagne „adopt a Revolution“ zumindest indirekt die Freie Syrische Armee unterstützt… Noch krasser ist das bei der Linksjugend [solid], wo zum Beispiel Gliederungen, die sich gegen die israelische Kriegs- und Besatzungspolitik wenden, neben dem BAK Shalom existieren, der Propaganda für bedingungslose Solidarität mit Israel und einen Krieg gegen den Iran macht – also zwei sich gegenseitig ausschließende Positionen in einer Organisation! Das wäre bei uns nicht möglich.
Sehr häufig werden wir außerdem nach unserem Verhältnis zur Kommunistischen Partei gefragt. Wir sind eine eigenständige Organisation, die der DKP nahe steht, aber unabhängig von ihr eine eigene marxistische Jugendpolitik entwickelt. Wir sind weder organisatorisch noch finanziell von der Partei abhängig. Wir gehen nicht davon aus, dass ein Jugendverband die KP ersetzen kann. Für die meisten SDAJ GenossInnen ist es deshalb auch eine Selbstverständlichkeit, dass sie spätestens mit 30 in die DKP eintreten. Ein eigenständiger revolutionärer Jugendverband ist aus unserer Sicht vor allem deshalb nützlich und notwendig, weil jede Generation ihre eigenen Erfahrungen mit dem Kapitalismus macht und ihren eigenen Zugang zum Marxismus finden muss. Wir müssen in der SDAJ selbst unsere Kampferfahrungen sammeln, Dinge ausprobieren, Fehler machen, unsere theoretischen Einschätzungen in der Praxis erproben, etc. Wir haben den Anspruch, uns selbst zu KommunistInnen zu erziehen und dabei auf Augenhöhe voneinander zu lernen.
Was ist Euch daran wichtig? Warum ist diese Struktur so? Wir sind der Ansicht, dass unsere Form der Organisierung schlicht eine objektive Notwendigkeit darstellt. Wenn wir gegen dieses System und seinen Repressionsapparat irgend eine realistische Chance haben wollen, müssen wir in jeder Situation handlungsfähig sein. Deshalb kann die revolutionäre Organisation auch nicht die Verwirklichung unserer Ideale für die befreite Gesellschaft vorwegnehmen. Sie ist ein Kampfinstrument und muss ihrer Form nach den Erfordernissen dieses Kampfes angepasst sein. Ziel unserer theoretischen Debatten ist – nach demokratischer Einigung – die Einheit in der Aktion, die kollektive Praxis.
Die Geschichte gibt uns genügend Beispiele, die zeigen, dass nirgends je ein großer Streik, ein Aufstand oder gar eine Revolution ohne starke, erfahrene, routiniert und diszipliniert arbeitende Organisationsstrukturen erfolgreich war. Spontaneität ist gut, Organisation ist besser – ganz einfach 🙂
Welche Rolle spielen Demokratie und Repräsentation, Partizipation und Transparenz, lokale und überregionale Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit bei/für Euch? Einheit in der Aktion, maximale Partizipation in der Diskussion – nur so lässt sich wirklich kollektive, bundesweite Handlungsfähigkeit sicherstellen, wie wir immer wieder bei Großevents und Mobilisierungen unter Beweis stellen, so zum Beispiel beim LLL-Wochenende in Berlin, der Münchner Sicherheitskonferenz, dem letzten IG-Metall-Aktionstag in Köln, unserem Festival der Jugend, den Kubabrigaden, etc. Obwohl wir in der Planung und Ausrichtung unserer politischen Arbeit zunächst stark zentralistisch vorgehen, bleibt natürlich eine relative Autonomie der Gruppen erhalten. Wir können über eigene Arbeitsschwerpunkte vor Ort und die konkrete Umsetzung unserer Vorhaben selbst entscheiden, aber eben immer auf der verbindlichen Basis unserer gemeinsamen politischen Orientierung. Regelmäßige Kampagnen werden von allen Gliederungen verbindlich umgesetzt.
Wie wird mit informellen Hierarchien und Ausschlüssen (z.B. Geschlechtszuordnungen und -rollen, Informations-, Bildungs- und Herkunftsunterschieden etc.) bei Euch umgegangen? Durch ein systematisches und kollektives Herangehen: Informellen Hierarchien stellen wir gewählte, transparente, an ihre Basis gebundene und jeder Zeit wieder abwählbare Strukturen entgegen. Unser gemeinsames Ziel ist es, alle Mitglieder unabhängig von Herkunft und Geschlecht zu kommunistischen Kadern zu entwickeln. Was heißt das? Jeder und Jede in unserem Verband wird dabei unterstützt, sich alle theoretischen und praktischen Fähigkeiten anzueignen, die nötig sind, um sich umfassend, selbständig und selbstbewusst an allen Diskussionen innerhalb der Organisation zu beteiligen und sich in alle Bereiche unserer politischen Praxis einzubringen.
Geschlechterunterschieden und gesellschaftlich bedingten strukturellen Benachteiligungen wird z.B. durch eine Frauenquote systematisch entgegengewirkt, die das Ziel verfolgt, alle Leitungsebenen und alle Arbeitsbereiche geschlechterparitätisch zu besetzen. In der SDAJ sind starke und selbstbewusste Genossinnen in Leitungsfunktionen, die auch männlichen Genossen gegenüber mal eine deutliche Ansage machen, eine Selbstverständlichkeit (und haben damit auch eine wichtige Vorbildfunktion für junge Genossinnen!). Außerdem bemühen wir uns kollektiv darum, junge Genossinnen gezielt in Arbeitsbereiche einzuführen, die sonst oft klassische Männerdomänen sind (Beispiel Antifapolitik). Geschlechterdiskriminierung ist im Kapitalismus ein systematisches Problem – dem kann innerhalb einer revolutionären Organisation nur systematisch entgegengewirkt werden. Wir behaupten nicht, dass wir das Problem innerhalb unserer eigenen Strukturen überwunden haben, aber wir haben es als Problem erkannt und unternehmen konkrete Schritte dagegen. Das ist mehr, als die meisten linken Zusammenhänge von sich behaupten können. Im großen und ganzen machen wir damit sehr positive Erfahrungen, auch wenn in diesem Bereich noch viel zu tun bleibt.
Unsere verbandsinterne Bildungsarbeit verfolgt das Ziel, sozial bedingte Bildungsunterschiede abzubauen und alle GenossInnen auf einen gemeinsamen Wissensstand zu heben – nur so wird es überhaupt erst möglich, eine tatsächlich kollektive Debatte über unsere politische Strategie und Taktik zu führen. Das beginnt mit der Bildungsarbeit in den Gruppen, die sich nach Möglichkeit am Wissensstand der jüngsten/unerfahrensten Mitglieder orientiert, und wird fortgeführt in bundesweiten, aufeinander aufbauenden Theorieschulungen, die im besten Fall all unsere Mitglieder irgendwann durchlaufen. Auch diese Schulungen werden geschlechtergemischt geleitet.
Runde 4: Fragen aus dem Publikum: Leider blieb am Ende der Podiumsrunden nur noch sehr wenig Zeit, Fragen aus dem Publikum zu beantworten, daher an dieser Stelle nun der schriftliche Versuch, wenigstens ein paar der angerissenen Fragen in einigen kurzen Stichworten zu beantworten.
Eine Wortmeldung aus dem Publikum wies zurecht darauf hin, dass bei linken Veranstaltungen (auch auf diesem Podium!) oft sehr akademisch und unverständlich gesprochen wird. Wir können uns dieser Kritik nur anschließen und hoffen, dass es uns gelungen ist, unserem Anspruch gerecht zu werden und uns allgemeinverständlich und nachvollziehbar auszudrücken. Wenn es uns als KommunistInnen nicht gelingt, uns den Menschen gegenüber, die wir erreichen wollen, verständlich zu machen und ihr Interesse zu wecken, dann haben wir den Kampf verloren, bevor er überhaupt begonnen hat.
Wie ist eure Gruppe sozial zusammengesetzt? Wie sieht es bei euch aus mit Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund? Dazu steht bisher leider nichts genaueres im Verfassungsschutzbericht, und da wir den KollegInnen ihre Arbeit ungern abnehmen möchten (nachher werden da noch Stellen gestrichen ;-), hier nur ein paar ganz generelle Infos: Typisch für Tübingen sind wir stark, aber nicht ausschließlich studentisch geprägt. Trotzdem sind die meisten neben dem Studium her lohnabhängig beschäftigt. Die Zeiten, in denen man von BAFöG ein halbwegs selbstbestimmtes und unabhängiges Studileben führen konnte, sind längst vorbei. In unserer Gruppe spiegelt sich also auch sozial die zunehmende Prekarisierung junger AkademikerInnen wider. Ansonsten ist vielleicht noch interessant, dass wir fast gleich viele weibliche wie männliche GenossInnen in unserer Gruppe haben. Nicht ganz die Hälfte unserer GenossInnen hat Migrationshintergrund.
Wie steht ihr zum real existierenden Sozialismus und seinem „historischen Scheitern“? Diese Frage ist zweifellos sehr spannend und wichtig, sprengt aber auch den Rahmen dieser Diskussionsrunde. Die Positionen der SDAJ zu dieser Frage lassen sich in vielen unserer Texte nachlesen, so zum Beispiel in einer erst vor kurzem erschienenen Broschüre zur DDR (Titel: „Ein anderes Deutschland war möglich“), die bei uns erhältlich ist. Ansonsten würden wir folgende Texte zur Lektüre empfehlen: „Niederlage und Zukunft des Sozialismus (Hans Heinz Holz) und „Thesen zum Sozialismus“ (Kommunistische Partei Griechenlands, als Übersetzung unter folgendem Link zu finden: https://www.secarts.org/media/download.php?view=ebooks&id=81&action=download& ).
Runde 5: kurze Abschlussrunde auf dem Podium. Wir finden es schon irgendwie eine Ironie der Geschichte, dass wir auf einer Veranstaltung, die unter dem Motto eines Zitats von Antonio Gramsci stattfindet, fast schon ein bisschen die Rolle eines Kuriosums aus der historischen Mottenkiste einnehmen. Antonio Gramsci ist als Mitbegründer der Kommunistischen Partei Italiens und einer der wichtigsten Intellektuellen der italienischen Arbeiterbewegung ein Klassiker der politischen Traditionslinie, in der wir stehen. Er wird in unserem Verband und auch innerhalb der DKP viel gelesen und diskutiert.
Es ist kein Zufall, dass Gramsci sich als Marxist nicht für den Aufbau von Strukturen wie denen der iL, der Autonomen, …ums Ganze oder den Falken eingesetzt, sondern sein Leben lang für die Stärkung der Kommunistischen Partei und der marxistischen Arbeiterbewegung gekämpft hat. Der Wiederaufbau dieser Bewegung ist unser Ziel. Wir schließen uns also Gramsci an und sagen:
„Bildet euch, denn wir brauchen all eure Klugheit. Bewegt euch, denn wir brauchen eure ganze Begeisterung. Organisiert euch, denn wir brauchen eure ganze Kraft!“
Antonio Gramsci, 1. Mai 1919