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Anfang dieses Schuljahres verk\u00fcndete unsere Schulleitung, dass wir jetzt ein \u201cDigitales Tagebuch\u201d haben und wir uns eine App auf unser Handy laden sollen. Was zuerst ganz praktisch klang, entpuppte sich jedoch nach kurzer Zeit als ziemlich unangenehm.<\/p>\n
Das neue \u201cDigitale Tagebuch\u201d zeigt n\u00e4mlich nicht nur den Vertretungsplan, sondern erm\u00f6glicht den LehrerInnen noch viel mehr. So k\u00f6nnen sie jetzt die Hausaufgaben in die App eintragen und alle Sch\u00fclerInnen des Kurses sehen es dann. Jedoch nicht nur Sch\u00fclerInnen, auch die Schulleitung kann sehen welche LehrerInnen wie viel Hausaufgaben aufgeben und leider ist unsere Schulleitung der Meinung es k\u00f6nne gerne viel mehr sein, da Hausaufgaben angeblich \u201csehr wichtig f\u00fcr das sp\u00e4tere Leben\u201d w\u00e4ren. LehrerInnen, welche unregelm\u00e4\u00dfig oder gar keine Hausaufgaben aufgeben, werden von der Schulleitung darauf angesprochen. Sie geben uns deshalb Hausaufgaben auf, sogar wenn sie es selbst als sinnlos ansehen. Doch damit nicht genug: Demn\u00e4chst sollen die LehrerInnen sogar online sehen k\u00f6nnen, welcheR Sch\u00fclerIn wann in der App die Hausaufgabe als \u201cErledigt\u201d markiert hat. Dadurch sollen Sch\u00fclerInnen, welche regelm\u00e4\u00dfig keine Hausaufgaben machen, \u201eentlarvt\u201c werden.<\/p>\n
Alle Sch\u00fclerInnnen haben in der App ein eigenes Profil (welches jedoch nur LehrerInnen einsehen k\u00f6nnen), wo ein Bild und ihr Name gespeichert ist. Diesem \u201cProfil\u201d k\u00f6nnen die LehrerInnen auch Vermerke hinzuf\u00fcgen, wie \u201cKlassensprecher\u201d, \u201cSt\u00f6rt h\u00e4ufig den Unterricht\u201d oder \u201cKommt h\u00e4ufig zu sp\u00e4t\u201d, damitdann alle derzeitigen und zuk\u00fcnftigen LehrerInnen direkt Bescheid wissen. Am Anfang jeder Stunde wird die Anwesenheit kontrolliert. Bl\u00f6d nur, dass jeder standardm\u00e4\u00dfig auf \u201cAbwesend\u201d steht. Das bedeutet: Vergisst einE LehrerIn die Anwesenheit zu kontrollieren bleibt jeder auf \u201eAbwesend\u201c. Noch bl\u00f6der: Da ich in meiner Klasse als einziger \u201cWirtschaftsinformatik\u201d besuche, bin ich von dem Kurs \u201cWirtschaftsgeographie\u201d befreit. Das sah das \u201cDigitale Tagebuch\u201d jedoch anders und da ich in Wirtschaftsgeographie logischerweise \u201eAbwesend\u201c war, bekam ich einen automatischen Eintrag. Erst meine Klassenlehrerin bemerkte dann das irgendwas nicht stimmte. Sie wurde vom \u201cDigitalen Tagebuch\u201d informiert, ich w\u00fcrde angeblich sehr h\u00e4ufig fehlen. Jetzt habe ich \u00fcber 50 Fehlstunden, welche nicht gel\u00f6scht werden k\u00f6nnen.<\/p>\n
\u00dcber eine \u201cMessenger-App\u201d haben alle Sch\u00fclerInnen und alle LehrerInnen die M\u00f6glichkeit, sich gegenseitig anzuschreiben. Was zuerst ganz gut klingt ist jedoch ziemlich nervig. Denn LehrerInnen wie Sch\u00fclerInnen sind dadurch st\u00e4ndig erreichbar. So werden LehrerInnen kurz vor Klassenarbeiten nachts mit Nachrichten wie \u201cWelche Themen kommen nochmal dran\u201d bombardiert und schreiben den Sch\u00fclerInnen umgekehrt gerne mal noch extra Hausaufgaben oder fragen nach, wie es mit einer Hausaufgabe aussieht. Wenn jemand minderj\u00e4hrig ist, wird alles noch unangenehmer: Dann bekommen die Eltern Zugriff auf die Daten. Das bedeutet, sie sehen Fehlzeiten, Versp\u00e4tungen, ob ihr Kind die Hausaufgaben gemacht hat oder nicht und haben die M\u00f6glichkeit, LehrerInnen direkt anzuschreiben. \u00dcberwachung 2.0.<\/p>\n
Jens, Stuttgart<\/p>\n
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