<\/a>Welch Leuchte der Vernunft ist nun erloschen, Was f\u00fcr ein Herz hat aufgeh\u00f6rt zu schlagen! Am 5. August neuen Stils (24. Juli) 1895 verschied in London Friedrich Engels. Engels war nach seinem Freunde Karl Marx (der 1883 starb) der bedeutendste Gelehrte und Lehrer des modernen Proletariats in der ganzen zivilisierten Welt. Seit der Zeit, da das Schicksal Karl Marx und Friedrich Engels zusammenf\u00fchrte, wurde die Lebensarbeit der beiden Freunde zu ihrer gemeinsamen Sache. Um zu verstehen, was Friedrich Engels f\u00fcr das Proletariat geleistet hat, mu\u00df man sich daher \u00fcber die Bedeutung der Lehre und des Wirkens von Marx f\u00fcr die Entwicklung der modernen Arbeiterbewegung v\u00f6llig im klaren sein. Marx und Engels wiesen als erste nach, da\u00df die Arbeiterklasse mit ihren Forderungen ein notwendiges Produkt der modernen Winschaftsordnung ist, die mit der Bourgeoisie zwangsl\u00e4ufig auch das Proletariat erzeugt und organisiert; sie zeigten, da\u00df nicht wohlgemeinte Versuche einzelner edelgesinnter Pers\u00f6nlichkeiten, sondern der Klassenkampf des organisierten Proletariats die Menschheit von den Drangsalen erl\u00f6sen wird, die sie heute bedr\u00fccken. Marx und Engels haben in ihren wissenschaftlichen Arbeiten als erste klargestellt, da\u00df der Sozialismus kein Hirngespinst von Tr\u00e4umern ist, sondern Endziel und notwendiges Resultat der Entwicklung der Produktivkr\u00e4fte in der modemen Gesellschaft. Alle geschriebene Geschichte war bis heute eine Geschichte von Klassenk\u00e4mpfen, worin jeweils eine Gesellschaftsklasse \u00fcber die andere Herrschaft und Sieg gewann. Und das wird so lange dauern, bis die Grundlagen des Klassenkampfs und der Klassenherrschaft verschwinden: das Privateigentum und die regellose gesellschaftliche Produktion. Die Interessen des Proletariats fordern die Vernichtung dieser Grundlagen, und daher mu\u00df der bewu\u00dfte Klassenkampf der organisierten Arbeiter gegen sie gerichtet werden. Jeder Klassenkampf aber ist ein politischer Kampf.<\/p>\nDiese Ansichten von Marx und Engels sind heute Gemeingut des gesamten um seine Befreiung k\u00e4mpfenden Proletariats. Aber in den vierziger Jahren, als die beiden Freunde an der sozialistischen Literatur mitzuarbeiten und an den sozialen Bewegungen ihrer Zeit teilzunehmen begannen, waren diese Ansichten v\u00f6llig neu. Es gab damals viele begabte und unbegabte, ehrliche und ehrlose Leute, die, hingerissen vom Kampf um politische Freiheit, vom Kampf gegen die Selbstherrschaft der Monarchen, der Polizei und der Pfaffen, den Gegensatz zwischen den Interessen der Bourgeoisie und denen des Proletariats nicht erkannten. Diesen Leuten lag allein der Gedanke fern, da\u00df die Arbeiter als selbst\u00e4ndige gesellschaftliche Macht auftreten k\u00f6nnten. Anderseits gab es viele, zuweilen geniale Tr\u00e4umer, die der Meinung waren, es gen\u00fcge, die Machthaber und die herrschenden Klassen von der Ungerechtigkeit der gegenw\u00e4rtigen Gesellschaftsordnung zu \u00fcberzeugen: dann w\u00fcrde es ein leichtes sein, Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen zu schaffen. Sie tr\u00e4umten von einem Sozialismus, der ohne Kampf erreicht werden kann. Schlie\u00dflich betrachteten damals fast alle Sozialisten und sonstigen Freunde der Arbeiterklasse das Proletariat nur als ein Geschw\u00fcr und sahen mit Entsetzen, wie zugleich mit dem Wachstum der Industrie auch dieses Geschw\u00fcr w\u00e4chst. Deshalb zerbrachen sie alle sich dar\u00fcber den Kopf, wie man die Entwicklung der Industrie und des Proletariats, wie man das \u201eRad der Geschichte\u201c aufhalten k\u00f6nnte. Im Gegensatz zu der allgemeinen Furcht vor der Entwicklung des Proletariats setzten Marx und Engels alle ihre Hoffnungen auf das ununterbrochene Wachstum des Proletariats. Je mehr Proletarier, desto gr\u00f6\u00dfer ihre Kraft als revolution\u00e4re Klasse, desto n\u00e4her und realer der Sozialismus. Die Verdienste von Marx und Engels um die Arbeiterklasse lassen sich in wenigen Worten so zusammenfassen: sie erzogen die Arbeiterklasse zu Selbsterkenntnis und Selbstbewu\u00dftsein und setzten an die Stelle von Tr\u00e4umereien die Wissenschaft.<\/p>\n
Daher mu\u00df jeder Arbeiter mit Engels\u2019 Namen und Leben bekannt sein, und daher m\u00fcssen wir auch in unserem Sammelband, der ebenso wie alle unsere \u00fcbrigen Ver\u00f6ffentlichungen den Zweck hat, das Klassenbewu\u00dftsein der russischen Arbeiter zu wecken, einen Abri\u00df des Lebens und Wirkens von Friedrich Engels bringen, einem der beiden gro\u00dfen Lehrer des modernen Proletariats.<\/p>\n
Engels wurde 1820 in der Stadt Barmen, in der Rheinprovinz des K\u00f6nigreichs Preu\u00dfen geboren. Sein Vater war Fabrikant. Im Jahre 1838 sah sich Engels durch Familienumst\u00e4nde gezwungen, das Gymnasium vorzeitig zu verlassen und als Angestellter in ein Bremer Handelshaus einzutreten. Die kaufm\u00e4nnische Berufsarbeit hinderte Engels nicht, an seiner wissenschaftlichen und politischen Bildung zu arbeiten. Schon als Gymnasiast hatte er den Absolutismus und die Beamtenwillk\u00fcr hassen gelernt. Das Studium der Philosophie f\u00fchrte ihn weiter. Damals herrschte in der deutschen Philosophie die Lehre Hegels, und Engels wurde ihr Anh\u00e4nger. Obwohl Hegel selber ein Anbeter des absolutistischen preu\u00dfischen Staates war, in dessen Diensten er als Professor der Berliner Universit\u00e4t stand, war die Lehre Hegels revolution\u00e4r. Hegels Glaube an die menschliche Vernunft und ihre Rechte und die Grundthese der Hegelschen Philosophie, da\u00df sich in der Welt ein st\u00e4ndiger \u00c4nderungs- und Entwicklungsproze\u00df vollziehe, brachten diejenigen Sch\u00fcler des Berliner Philosophen, die sich mit der gegebenen Wirklichkeit nicht abfinden wollten, auf den Gedanken, da\u00df auch der Kampf gegen diese Wirklichkeit, der Kampf gegen das bestehende Unrecht und das herrschende \u00dcbel im Weltgesetz der ewigen Entwicklung begr\u00fcndet sei.<\/p>\n
Wenn alles sich entwickelt, wenn die einen Einrichtungen durch andere abgel\u00f6st werden, warum sollen dann das autokratische Regiment des preu\u00dfischen K\u00f6nigs oder des russischen Zaren, die Bereicherung einer verschwindenden Minderheit auf Kosten der \u00fcbergro\u00dfen Mehrheit, die Herrschaft der Bourgeoisie \u00fcber das Volk ewig w\u00e4hren? Hegels Philosophie sprach von einer Entwicklung des Geistes und der Ideen, sie war eine idealistische Philosophie. Sie leitete die Entwicklung der Natur, des Menschen und der menschlichen Beziehungen, der gesellschaftlichen Verh\u00e4ltnisse aus der Entwicklung des Geistes ab. Marx und Engels, die den Hegelschen Begriff des ewigen Entwicklungsprozesses1 festhielten, verwarfen die vorgefa\u00dfte idealistische Anschauung; sie wandten sich dem Leben zu und erkannten, da\u00df nicht die Entwicklung des Geistes die Entwicklung der Natur erkl\u00e4rt, sondern umgekehrt, da\u00df der Geist aus der Natur, aus der Materie zu erkl\u00e4ren ist\u2026 Im Gegensatz zu Hegel und anderen Hegelianern waren Marx und Engels Materialisten. Sie betrachteten die Welt und die Menschheit vom materialistischen Standpunkt aus und erkannten, da\u00df ebenso wie allen Naturerscheinungen materielle Ursachen zugrunde liegen, auch die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft durch die Entwicklung materieller Kr\u00e4fte, der Produktivkr\u00e4fte, bedingt wird. Von der Entwicklung der Produktivkr\u00e4fte h\u00e4ngen die Verh\u00e4ltnisse ab, die die Menschen bei der Erzeugung der zur Befriedigung der menschlichen Bed\u00fcrfnisse notwendigen G\u00fcter eingehen.<\/p>\n
In diesen Verh\u00e4ltnissen aber liegt die Erkl\u00e4rung f\u00fcr alle Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens, der menschlichen Bestrebungen, Ideen und Gesetze. Die Entwicklung der Produktivkr\u00e4fte erzeugt gesellschaftliche Verh\u00e4ltnisse, die sich auf das Privateigentum gr\u00fcnden, jetzt aber sehen wir, wie ebendiese Entwicklung der Produktivkr\u00e4fte die Mehrheit der Menschen ihres Eigentums beraubt und es in den H\u00e4nden einer verschwindenden Minderheit zusammenballt. Diese Entwicklung der Produktivkr\u00e4fte vernichtet das Eigentum, die Grundlage der gegenw\u00e4rtigen Gesellschaftsordnung, sie strebt selber dem gleichen Ziel zu, das sich die Sozialisten gesteckt haben. Die Sozialisten m\u00fcssen nur verstehen, welche gesellschaftliche Macht durch ihre Stellung in der modernen Gesellschaft an der Verwirklichung des Sozialismus interessiert ist, und dieser Macht ihre Interessen und ihre historische Mission zum Bewu\u00dftsein bringen.<\/p>\n
\u201eMan gibt ihnen feuchte Wohnungen, Kellerl\u00f6cher, die von unten, oder Dachkammern, die von oben nicht wasserdicht sind. Man baut ihre H\u00e4user so, da\u00df die dumpfige Luft nicht abziehen kann. Man gibt ihnen schlechte, zerlumpte oder zerlumpende Kleider und schlechte, verf\u00e4lschte und schwerverdauliche Nahrungsmittel. Man setzt sie den aufregendsten Stimmungswechseln [\u2026] aus \u2013 man hetzt sie ab wie das Wild und l\u00e4\u00dft sie nicht zur Ruhe und zum ruhigen Lebensgenu\u00df kommen. Man entzieht ihnen alle Gen\u00fcsse au\u00dfer dem Geschlechtsgenu\u00df und dem Trunk, arbeitet sie dagegen t\u00e4glich bis zur g\u00e4nzlichen Abspannung aller geistigen und physischen Kr\u00e4fte ab.\u201c \nF. Engels: \u201eDie Lage der arbeitenden Klasse in England\u201c, S. 326f<\/p>\n
Engels lernte es kennen in England, in Manchester, dem Zentrum der englischen Industrie, wohin er 1842 \u00fcbersiedelte, um als Angestellter in das Handelshaus einzutreten, dessen Teilhaber sein Vater war. Engels verbrachte hier seine Zeit nicht nur im Fabrikb\u00fcro \u2013 er durchwanderte die schmutzigen Stadtviertel, wo die Arbeiter hausten, und sah mit eigenen Augen ihr Elend und ihre Not. Aber er begn\u00fcgte sich nicht mit pers\u00f6nlichen Beobachtungen; er las alles, was vor ihm \u00fcber die Lage der englischen Arbeiterklasse geschrieben worden war, und studierte sorgf\u00e4ltig alle ihm zug\u00e4nglichen amtlichen Dokumente. Die Frucht dieser Studien und Beobachtungen war das 1845 erschienene Buch \u201eDie Lage der arbeitenden Klasse in England\u201c. Wir haben oben bereits erw\u00e4hnt, worin das Hauptverdienst von Engels als dem Verfasser der \u201eLage der arbeitenden Klasse in England\u201c besteht. Auch vor Engels hatten sehr viele die Leiden des Proletariats geschildert und auf die Notwendigkeit hingewiesen, ihm zu helfen. Engels aber hat als erster gesagt, da\u00df das Proletariat nicht nur eine leidende Klasse ist; da\u00df gerade die schmachvolle wirtschaftliche Lage, in der sich das Proletariat befindet, es unaufhaltsam vorw\u00e4rtstreibt, und es zwingt, f\u00fcr seine endg\u00fcltige Befreiung zu k\u00e4mpfen. Das k\u00e4mpfende Proletariat aber werde sich selbst helfen. Die politische Bewegung der Arbeiterklasse werde die Arbeiter unvermeidlich zu der Erkenntnis f\u00fchren, da\u00df es f\u00fcr sie keinen anderen Ausweg gibt als den Sozialismus. Anderseits werde der Sozialismus nur dann eine Macht sein, wenn er zum Ziel des politischen Kampfes der Arbeiterklasse geworden ist. Das sind die Grundgedanken des Buches von Engels \u00fcber die Lage der Arbeiterklasse in England, Gedanken, die sich heute das gesamte denkende und k\u00e4mpfende Proletariat zu eigen gemacht hat, die aber damals v\u00f6llig neu waren. Diese Gedanken wurden niedergelegt in einem Buche, das hinrei\u00dfend geschrieben und voll ist von wahrheitsgetreuen und ersch\u00fctternden Bildern vom Elend des englischen Proletariats. Dieses Buch war eine furchtbare Anklage gegen den Kapitalismus und die Bourgeoisie. Der Eindruck, den es hervorrief, war sehr gro\u00df.<\/p>\n
\u00dcberall berief man sich auf das Buch von Engels als auf die beste Darstellung der Lage des modernen Proletariats. In der Tat: weder vor 1845 noch sp\u00e4ter ist eine so eindrucksvolle und wahrheitsgetreue Schilderung der Notlage der Arbeiterklasse erschienen.<\/p>\n
Zum Sozialisten wurde Engels erst in England. Er trat in Manchester mit F\u00fchrern der damaligen englischen Arbeiterbewegung in Verbindung und begann in der englischen sozialistischen Presse mitzuarbeiten. Bei seiner R\u00fcckkehr nach Deutschland 1844 wurde er auf der Durchreise in Paris mit Marx bekannt, mit dem er schon fr\u00fcher in Briefwechsel gestanden hatte. Marx war in Paris unter dem Einflu\u00df der franz\u00f6sischen Sozialisten und des franz\u00f6sischen Lebens ebenfalls zum Sozialisten geworden. Hier schrieben die Freunde gemeinsam das Buch: \u201eDie heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik\u201c. In diesem Buch, das ein Jahr vor der \u201eLage der arbeitenden Klasse in England\u201c erschien und zum gr\u00f6\u00dften Teil von Marx geschrieben ist, sind die Grundlagen des revolution\u00e4r-materialistischen Sozialismus enthalten, dessen Hauptgedanken wir oben dargelegt haben. \u201eDie heilige Familie\u201c ist eine scherzhafte Bezeichnung f\u00fcr die Philosophen Gebr\u00fcder Bauer und ihre Anh\u00e4nger. Diese Herren predigten eine Kritik, die \u00fcber jeder Wirklichkeit steht, \u00fcber den Parteien und der Politik, die jede praktische T\u00e4tigkeit verneint und sich damit begn\u00fcgt, die Umwelt und die in ihr vor sich gehenden Ereignisse \u201ekritisch\u201c zu betrachten. Die Herren Bauer urteilten \u00fcber das Proletariat von oben herab als \u00fcber eine unkritische Masse. Dieser unsinnigen und sch\u00e4dlichen Richtung traten Marx und Engels entschieden entgegen. Im Namen der wahren menschlichen Pers\u00f6nlichkeit, des von den herrschenden Klassen und vom Staate getretenen Arbeiters, fordern sie statt Betrachtung den Kampf f\u00fcr eine bessere Gesellschaftsordnung. Die zu diesem Kampf f\u00e4hige und an ihm interessierte Macht sehen sie nat\u00fcrlich im Proletariat. Engels hatte noch vor der \u201eHeiligen Familie\u201c, in den von Marx und Ruge herausgegebenen \u201eDeutsch\u00adfranz\u00f6sischen Jahrb\u00fcchern\u201c, seine \u201eUmrisse zu einer Kritik der National\u00f6konomie\u201c ver\u00f6ffentlicht, in denen er vom sozialistischen Standpunkt aus die grundlegenden Erscheinungen der modernen Wirtschaftsordnung als zwangsl\u00e4ufige Folgen der Herrschaft des Privateigentums untersuchte.<\/p>\n
Der Umgang mit Engels trug zweifelhaft dazu bei, da\u00df Marx den Entschlu\u00df fa\u00dfte, sich mit politischer \u00d6konomie zu befassen, der Wissenschaft, in der seine Werke eine wahre Umw\u00e4lzung herbeigef\u00fchrt haben. Die Zeit von 1845 bis 1847 verbrachte Engels in Br\u00fcssel und Paris, wo er wissenschaftliche Studien mit praktischer T\u00e4tigkeit unter den deutschen Arbeitern dieser beiden St\u00e4dte verband. Hier kn\u00fcpften Engels und Marx Beziehungen an zu dem geheimen deutschen \u201eBund der Kommunisten\u201c, der ihnen den Auftrag gab, die Grundprinzipien des von ihnen ausgearbeiteten Sozialismus darzulegen. So entstand das im Jahre 1848 ver\u00f6ffentlichte ber\u00fchmte \u201eManifest der Kommunistischen Partei\u201c von Marx und Engels. Dieses kleine B\u00fcchlein ist ganze B\u00e4nde wert: sein Geist belebt und bewegt bis heute das gesamte organisierte und k\u00e4mpfende Proletariat der zivilisierten Welt.<\/p>\n
Die Revolution von 1848, die zuerst in Frankreich ausbrach und dann auch auf andere L\u00e4nder Westeuropas \u00fcbergriff, f\u00fchrte Marx und Engels in die Heimat zur\u00fcck. Hier, in Rheinpreu\u00dfen, leiteten sie die demokratische \u201eNeue Rheinische Zeitung\u201c, die in K\u00f6ln herausgegeben wurde. Beide Freunde waren die Seele aller revolution\u00e4r-demokratischen Bestrebungen in Rheinpreu\u00dfen. Sie verteidigten die Interessen des Volkes und der Freiheit bis zum \u00e4u\u00dfersten gegen die Kr\u00e4fte der Reaktion. Diese gewannen bekanntlich die Oberhand. Die \u201eNeue Rheinische Zeitung\u201c wurde verboten, und Marx, der w\u00e4hrend seines Emigrantenlebens die Rechte eines preu\u00dfischen Staatsangeh\u00f6rigen verloren hatte, wurde ausgewiesen; Engels nahm an dem bewaffneten Volksaufstand teil, k\u00e4mpfte in drei Gefechten f\u00fcr die Freiheit und fl\u00fcchtete nach der Niederlage der Aufst\u00e4ndischen \u00fcber die Schweiz nach London<\/p>\n
Auch Marx lie\u00df sich in London nieder. Engels wurde bald darauf wieder Angestellter und sp\u00e4ter Teilhaber des Handelshauses in Manchester, in welchem er schon in den vierziger Jahren t\u00e4tig gewesen war. Bis 1870 lebte er in Manchester und Marx in London, was sie nicht hinderte, den lebhaftesten geistigen Verkehr zu pflegen: fast t\u00e4glich wechselten sie Briefe. In diesem Briefwechsel tauschten die Freunde ihre Ansichten und Kenntnisse aus und setzten gemeinsam die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Sozialismus fort. Im Jahre 1870 siedelte Engels nach London \u00fcber und bis 1883, bis zum Tode von Marx, w\u00e4hrte ihr von angestrengter Arbeit erf\u00fclltes gemeinsames geistiges Leben. Die Frucht dieser Arbeit war, was Marx anbelangt, \u201eDas Kapital\u201c, das gr\u00f6\u00dfte Werk der politischen \u00d6konomie in unserem Zeitalter, und, was Engels betrifft, eine ganze Reihe gr\u00f6\u00dferer und kleinerer Schriften. Marx arbeitete an der Erforschung der komplizierten Erscheinungen der kapitalistischen Wirtschaft. Engels beleuchtete in au\u00dferordentlich leicht geschriebenen, oft polemischen Arbeiten die allgemeinsten wissenschaftlichen Fragen und die verschiedensten Erscheinungen der Vergangenheit und Gegenwart im Geiste der materialistischen Geschichtsauffassung und der \u00f6konomischen Theorie von Marx. Von diesen Engelsschen Arbeiten seien genannt: die polemische Schrift gegen D\u00fchring (in ihr werden die gr\u00f6\u00dften Probleme der Philosophie, der Natur- und Gesellschaftswissenschaft untersucht2), \u201eDer Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats\u201c (russische \u00dcbersetzung in 3. Aufl., St. Petersburg 1895), \u201eLudwig Feuerbach\u201c (russische \u00dcbersetzung mit Anmerkungen von G. Plechanow, Genf 1892), ein Artikel \u00fcber die Au\u00dfenpolitik der russischen Regierung (in russischer \u00dcbersetzung im Genfer \u201eSozialdemokrat\u201c Nr. 1 und 2), die ausgezeichneten Artikel \u00fcber die Wohnungsfrage und schlie\u00dflich zwei kleine, aber sehr wertvolle Artikel \u00fcber die \u00f6konomische Entwicklung Ru\u00dflands (\u201eFriedrich Engels \u00fcber Ru\u00dfland\u201c, ins Russische \u00fcbertragen von W. I. Sassulitsch, Genf 1894). Marx starb, ohne sein gewaltiges Werk \u00fcber das Kapital abschlie\u00dfend bearbeitet zu haben. In roher Form war es jedoch schon fertig. Und nun machte sich Engels nach dem Tode seines Freundes an die schwere Arbeit, Band II und III des \u201eKapital\u201c zu bearbeiten und herauszugeben. Im Jahre 1885 gab er Band II, 1894 Band III heraus (zur Bearbeitung von Band IV kam er nicht mehr). Die Herausgabe dieser beiden B\u00e4nde erforderte au\u00dferordentlich viel Arbeit. Der \u00f6sterreichische Sozialdemokrat Adler hat mit Recht gesagt, Engels habe seinem genialen Freunde mit der Herausgabe von Band II und III des \u201eKapital\u201c ein herrliches Denkmal gesetzt, auf dem er, ohne es zu wollen, seinen eigenen Namenszug mit unausl\u00f6schlichen Lettern eingetragen hat. In der Tat, diese beiden B\u00e4nde des \u201eKapital\u201c sind das Werk von zweien: von Marx und Engels. Alte Legenden berichten von manchen r\u00fchrenden Beispielen der Freundschaft. Das europ\u00e4ische Proletariat kann sagen, da\u00df seine Wissenschaft von zwei Gelehrten und K\u00e4mpfern geschaffen worden ist, deren Verh\u00e4ltnis die r\u00fchrendsten Sagen der Alten \u00fcber menschliche Freundschaft in den Schatten stellt. Engels hat stets \u2013 und im allgemeinen durchaus mit Recht \u2013 Marx den Vorrang gegeben. Einem alten Freund schrieb er: \u201eBei Marx\u2019 Lebzeiten habe ich die zweite Violine gespielt.\u201c Seine Liebe zu dem lebenden Marx und seine Ehrfurcht vor dem Andenken des Verstorbenen waren grenzenlos. Dieser harte K\u00e4mpfer und strenge Denker konnte aus tiefstem Herzen lieben.<\/p>\n
Nach der Bewegung von 1848\/49 besch\u00e4ftigten sich Marx und Engels in der Verbannung nicht nur mit wissenschaftlichen Arbeiten. Marx gr\u00fcndete 1864 die \u201eInternationale Arbeiterassoziation\u201c und leitete diese Vereinigung im Laufe eines vollen Jahrzehnts. Auch Engels nahm an ihrer Arbeit lebhaften Anteil. Die T\u00e4tigkeit der \u201eInternationalen Arbeiterassoziation\u201c, die nach Marx\u2019 Plane die Proletarier aller L\u00e4nder vereinigen sollte, war f\u00fcr die Entwicklung der Arbeiterbewegung von ungeheurer Tragweite. Aber auch nach der Aufl\u00f6sung der \u201eInternationalen Arbeiterassoziation\u201c in den siebziger Jahren h\u00f6rten Marx und Engels nicht auf, als Einiger der Arbeiterklasse zu wirken. Im Gegenteil: man k\u00f6nnte sagen, da\u00df ihre Bedeutung als der geistigen F\u00fchrer der Arbeiterbewegung immer gr\u00f6\u00dfer wurde, weil auch die Bewegung selbst ununterbrochen wuchs. Nach Marx\u2019 Tode fuhr Engels allein fort, Berater und F\u00fchrer der europ\u00e4ischen Sozialisten zu sein. Sowohl die deutschen Sozialisten, deren Kraft trotz der Regierungsverfolgungen schnell und ununterbrochen zunahm, als auch die Vertreter zur\u00fcckgebliebener L\u00e4nder, z. B. Spanier, Rum\u00e4nen, Russen, die ihre ersten Schritte \u00fcberlegen und erw\u00e4gen mu\u00dften, wandten sich an ihn um Rat und Anleitung. Sie alle sch\u00f6pften aus der reichen Schatzkammer der Kenntnisse und Erfahrungen des alten Engels. Marx und Engels, die beide mit der russischen Sprache vertraut waren und russische B\u00fccher lasen, interessierten sich lebhaft f\u00fcr Ru\u00dfland. Sie verfolgten mit Sympathie die russische revolution\u00e4re Bewegung und unterhielten Beziehungen zu russischen Revolution\u00e4ren. Sie waren beide aus Demokraten zu Sozialisten geworden, und das demokratische Gef\u00fchl des Hasses gegen politische Willk\u00fcr war bei ihnen au\u00dferordentlich stark. Dieses unmittelbare politische Gef\u00fchl, gepaart mit tiefem theoretischem Verst\u00e4ndnis f\u00fcr den Zusammenhang zwischen politischer Willk\u00fcr und wirtschaftlicher Unterdr\u00fcckung sowie ihre reichen Lebenserfahrungen machten Marx und Engels gerade in politischer Hinsicht au\u00dferordentlich feinf\u00fchlig. Der heroische Kampf des kleinen H\u00e4ufleins russischer Revolution\u00e4re gegen die m\u00e4chtige Zarenregierung fand daher bei diesen bew\u00e4hrten Revolution\u00e4ren tiefste Sympathie. Hingegen war in ihren Augen der Hang, scheinbaren wirtschaftlichen Vorteilen zuliebe der unmittelbarsten und wichtigsten Aufgabe der russischen Sozialisten \u2013 der Eroberung politischer Freiheit \u2013 den R\u00fccken zu kehren, naturgem\u00e4\u00df verd\u00e4chtig, ja, er wurde von ihnen geradezu als Verrat an der gro\u00dfen Sache der sozialen Revolution betrachtet. \u201eDie Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein\u201c, lehrten Marx und Engels st\u00e4ndig. Um aber f\u00fcr seine \u00f6konomische Befreiung zu k\u00e4mpfen, mu\u00df das Proletariat sich gewisse politische Rechte erobern. Au\u00dferdem haben sowohl Marx als auch Engels klar gesehen, da\u00df die politische Revolution in Ru\u00dfland auch f\u00fcr die westeurop\u00e4ische Arbeiterbewegung von ungeheurer Tragweite sein wird. Das absolutistische Ru\u00dfland ist von jeher das Bollwerk der gesamten europ\u00e4ischen Reaktion gewesen. Die au\u00dferordentlich vorteilhafte internationale Lage Ru\u00dflands infolge des Krieges von 1870, der Deutschland und Frankreich f\u00fcr lange Zeit verfeindete, hat nat\u00fcrlich die Bedeutung des absolutistischen Ru\u00dfland als einer reaktion\u00e4ren Macht nur gesteigert. Nur ein freies Ru\u00dfland, das weder eine Unterdr\u00fcckung der Polen, Finnen, Deutschen, Armenier und anderer kleiner V\u00f6lker noch die st\u00e4ndige Aufhetzung Frankreichs und Deutschlands gegeneinander n\u00f6tig hat, wird dem zeitgen\u00f6ssischen Europa die M\u00f6glichkeit geben, nach allen Kriegsn\u00f6ten frei aufzuatmen, wird alle reaktion\u00e4ren Elemente in Europa schw\u00e4chen und die Kraft der europ\u00e4ischen Arbeiterklasse mehren. Aus diesem Grunde hegte Engels, auch im Interesse der Erfolge der Arbeiterbewegung im Westen, den hei\u00dfen Wunsch, in Ru\u00dfland m\u00f6ge die politische Freiheit ihren Einzug halten. Die russischen Revolution\u00e4re haben in ihm ihren besten Freund verloren.<\/p>\n
Dem gro\u00dfen K\u00e4mpfer und Lehrer des Proletariats, Friedrich Engels, ewiges Gedenken!<\/p>\n
Herbst 1895.<\/p>\n
W. I. Lenin<\/em><\/p>\n(1) Marx und Engels haben oft darauf hingewiesen, da\u00df sie in ihrer geistigen Entwicklung den gro\u00dfen deutschen Philosophen und insbesondere Hegel vieles Verdanken. \u201eOhne die deutsche Philosophie\u201c, sagt Engels, \u201eg\u00e4be es auch keinen wissenschaftlichen Sozialismus.\u201c \n(2) Das ist ein erstaunlich inhaltsreiches und lehrreiches Buch. Ins Russische \u00fcbertragen ist davon leider nur ein kleiner Teil, der einen historischen Abri\u00df der Entwicklung des Sozialismus enth\u00e4lt (\u201eDie Entwicklung des wissenschaftlichen Sozialismus\u201c, 2. Aufl., Genf 1892).<\/p>\n
Dieser Aufsatz erschien im Herbst 1895. Der Text in der vorliegenden \u00dcbersetzung wurde dem Sammelband W. I. Lenin: \u201eMarx Engels Marxismus\u201c, Verlag f\u00fcr fremdsprachige Literatur, Moskau, 1947 entnommen. Die Fu\u00dfnoten stammen von Lenin.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
Lenin zum Todestag des Mitgr\u00fcnders des wissenschaftlichen Sozialismus Vor 118 Jahren starb Friedrich Engels. In seinem Nachruf an Friedrich Engels von 1895 beleuchtet Wladimir Illjitsch Lenin das Leben und die […]<\/p>\n","protected":false},"author":70,"featured_media":153,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_et_pb_use_builder":"","_et_pb_old_content":"","_et_gb_content_width":"","footnotes":""},"categories":[22],"tags":[],"yoast_head":"\n
Zum Todestag von Friedrich Engels (5. August) - SDAJ Baden-W\u00fcrttemberg<\/title>\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n\t \n\t \n\t \n \n \n \n\t \n\t \n\t \n