www.schernikau.net<\/a>)<\/p><\/div>\nGeboren in der DDR, aufgewachsen in der BRD, ist Schernikau der junge Homosexuelle, der nicht an der piefigen Kleinstadt scheitert, sondern sie an ihm. Auch die Leichtigkeit des fr\u00fcheren Westberlins prallt an ihm ab, Ronald wird kurz vor der Wende DDR-Staatsb\u00fcrger.<\/p>\n
Konsequent in seinen Analysen, urteilt er stets mit z\u00e4rtlicher Sch\u00e4rfe. Mit Passagen, die zum lauten und mehrfachen lesen verf\u00fchren, schuf Schernikau Literatur in einem wiederzuentdeckenden Sinne \u2013 als Spiegel der Verh\u00e4ltnisse.<\/p>\n
POSITION f\u00fchrte ein Interview mit seiner Mutter, Ellen Schernikau, die seit Jahren auf Veranstaltungen aus seinen Werken lie\u00dft. \nOnline ver\u00f6ffentlichen wir das Interview ungek\u00fcrzt, in voller L\u00e4nge.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Ellen, warum glaubst du, dass es sich auch heut noch f\u00fcr junge Leute lohnt, Ronalds Texte zu lesen?<\/p>\nEllen:<\/strong> Ich denke, dass die Texte, die Ronald geschrieben hat, zeitlos sind. Dass sie sozusagen immer G\u00fcltigkeit haben. Es gibt nat\u00fcrlich bestimmte Bez\u00fcge, die sich \u00fcberholen, das ist logisch. Aber die Kernaussage gilt eigentlich immer. Und eine seiner Kernaussagen ist: \u201enichts anderes ist, als was wir daraus machen\u201c Das zum Beispiel. Das ist das Ende eines Gedichtes, das hei\u00dft \u201cbach\u201d.<\/p>\n<\/div>\n
Oder zum Beispiel aus \u201ctage in l.\u201d \u2013 wie er sagt, \u201ces gibt eine einfache probe. frage jemanden nach seinem ideal und frage ihn nach der wirklichkeit. wenn er beginnt, sein ideal zu besingen, geht es los. wenn er \u00fcber die wirklichkeit lamentiert, vergi\u00df ihn.\u201d Klar wei\u00df er, dass man das Schlechte der Wirklichkeit benennen muss, und man muss einfach auch mal klagen, man muss sich \u00e4rgern und aufregen. Aber wenn es dabei bleibt, dann ist es schade um die eigene Zeit und das eigene Leben.<\/p>\n
Also ein Mensch ohne Ideal, das fand er und das teile ich vollst\u00e4ndig, der ist eigentlich arm. Das sind so ein paar Beispiele, die man fortsetzen kann. Das mache ich auf den Lesungen. Das macht Mut, mit diesen Texten. Diese Reaktion erf\u00e4hrt man auch an sich selbst, wenn man das so liest.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> \u00dcber deine eigene Lebensgeschichte erf\u00e4hrt man viel in dem Buch \u201eIrene Binz. Befragung\u201c, das Ronald geschrieben hat. Wie kam es denn zu der Idee?<\/p>\nEllen:<\/strong> Ronald kam eines Tages und sagte: Du hast so vieles erlebt, diese Ost-West-Geschichte und ich brauche neuen Stoff und kann ich das nicht aufschreiben. Da hab ich erst mal gesagt: Nee, ich hab mir auch schon mal gedacht, wenn ich selber mal Zeit habe, Rentnerin bin, dann mach ich das selber. Weil ich selbst auch sehr gern schreibe. Beim n\u00e4chsten Besuch hat er dann wieder so rumgestottert und willst du nicht, kann ich nicht und da hab ich mir gedacht, ach, na klar. Wenn ich das selber schreibe dann wird\u2019s vielleicht auch ein bisschen kitschig und sentimental und das ist eigentlich gut, wenn er das macht. Und dann hab ich ihm meine Geschichte geschenkt.<\/p>\nUnd dann kam er an, mit einem Tonbandger\u00e4t und dann haben wir ein ganzes Wochenende zusammen gesessen und haben wirklich zwischendurch einfach mal was gegessen, waren auf dem Klo oder haben mal geschlafen aber eigentlich haben wir ein ganzes Wochenende lang mal nur geredet, geredet \u2013 ich vor allen Dingen \u2013 er hatte seine Fragen, und so ist das entstanden. Und dann sind da 600 Schreibmaschinenseiten draus geworden. Die hat er zusammengeschnitten auf 150 Seiten. Dann wollte er das gerne in der DDR ver\u00f6ffentlichen und die DDR mit ihren sehr \u00e4ngstliche Lektoren, die haben das abgelehnt. Weil sie das aus mehreren Gr\u00fcnden nicht druckbar in der DDR fanden. Ein Grund war: man kann den Leuten nicht erz\u00e4hlen, dass jemand aus Liebe r\u00fcbergegangen ist. Geht halt nicht. Man verr\u00e4t das Land nicht. Da haben sie sicherlich irgendwo recht. Trotzdem fand ich das damals kleinlich, weil das h\u00e4tte eine Diskussionsgrundlage sein k\u00f6nnen f\u00fcr gute Diskussionen. Aber da waren sie ein bisschen engstirnig.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Wie bei so vielen Werken Ronalds, dieses Problem hat sich ja zeitlebens durch Ronalds Leben gezogen. Sowohl in der BRD als auch in der DDR hatte er Schwierigkeiten. Was waren denn da die Argumente? Womit hatte er zu tun und zu k\u00e4mpfen?<\/p>\nEllen:<\/strong> \u201eMan schreibt sowas nicht, sowas geh\u00f6rt nicht in die \u00d6ffentlichkeit.\u201c Und im Westen haben die Verlage dann gesagt er ist zu weit links. Und dann auch noch homosexuell. Das hat ihnen dann auch wieder nicht gepasst. Beide Seiten fanden ihn zu radikal. Und trotzdem hatte er den Wunsch, in der DDR zu leben, obwohl er wusste, dass er da nicht gedruckt wird. Aber er war in der Hoffnung, dass eines Tages die Leute vern\u00fcnftiger werden. Oder offener. Und er hat immer gesagt, wenn ich das Land, was ich liebe, also die DDR, kritisiere, dann verstehe ich \u00fcberhaupt nicht, dass sie die Kritik nicht annehmen, denn ich kritisiere doch nur dann, wenn ich will, dass sich was verbessert. Eine konstruktive Kritik macht man ja nicht, um jemanden nieder zu machen sondern um ihn aufmerksam zu machen und das wollte er. Er wollte einfach ins Gespr\u00e4ch kommen. Und dazu waren die DDR-Leute nicht bereit. Dazu waren sie nicht selbstkritisch genug.<\/p>\nPOSITION:<\/strong> Obwohl deine Eltern mit Hitler sympathisiert haben, bist du \u00fcberzeugte Kommunistin. Wie kam denn das? Warum hat der Sozialismus dir so eingeleuchtet?<\/p>\nEllen:<\/strong> Ich denke, ich hatte gute Lehrer. Immer wenn ich mit diesen Fragen zu \u201cFr\u00fcher\u201d nach Hause kam, da wurde nicht drauf reagiert. Oder das wurde einfach negiert. Und ich hab so viel in der Schule gelernt. \u00dcber das, was das sogenannte dritte Reich wollte, die Ziele, die Verfolgung, so dass ich glaubte, dass sowas einfach nicht mehr vorkommen darf, man dem den Boden entziehen muss. Und da wurde sozusagen bei mir \u201cges\u00e4t\u201d und die Saat ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Das hat mir eingeleuchtet.<\/p>\nUnd dadurch, dass ich immer schon ein kommunikativer Mensch war und gesellschaftlich gerne t\u00e4tig, hatte ich dar\u00fcber gleich auch immer Funktionen und hab auch gut argumentieren k\u00f6nnen. Dann bin ich dar\u00fcber in die FDJ gekommen, \u00fcber den Pionierrat. Und in die Partei. Und so bin ich meinen Weg gegangen. Und hab mich nicht beirren lassen von den Fehlern, die wir gemacht haben. Die zwar schmerzvoll waren \u2013 ich hab Jahre gebraucht, um nicht zu weinen, wenn bestimmte Themen angesprochenen wurden, weil ich manchmal nicht wahrhaben wollte, was wir f\u00fcr Schw\u00e4chen hatten, und bin trotzdem dabei geblieben, weil ich wei\u00df, dass der Marx recht hat. Dass dieses System keine Zukunft hat. Und ich freue mich, dass ich bei dem Experiment dabei war. Es ist zwar schiefgegangen \u2013 leider \u2013 aber es war halt zu schwach. Deshalb konnten die anderen es auch gut killen. Etwas kann ja auch eher gekillt werden, wenn etwas schwach ist. Und diese Schw\u00e4chen haben wir selber nicht so gesehen. Wir haben uns \u00fcbersch\u00e4tzt, wir haben gedacht wir w\u00e4ren st\u00e4rker. \nN\u00e4chstes Mal wird\u2019s besser.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Na, wir arbeiten dran!<\/p>\nEllen:<\/strong> Genau, und daf\u00fcr brauchen wir euch! Die Jugend! Also wenn ich mir vorstelle, 50 Jahre war ich aktiv, aber irgendwie wird man auch m\u00fcde und verleugnet sich zwar nicht, auf keinen Fall, aber ich habe nicht mehr die Kraft. Und da m\u00fcsst ihr jetzt ran. Ihr seid jung und habt auch wieder andere Ideen und das ist auch gut so.<\/p>\nPOSITION:<\/strong> Obwohl du ja so sehr hinter der DDR stehst, bist du umgesiedelt in die BRD. Warum war das denn der Fall?<\/p>\nEllen:<\/strong> Das war nicht aus politischen Gr\u00fcnden, sondern weil der Vater von Ronald dr\u00fcben gelebt hat. Und ich hatte immer das Gef\u00fchl, ich muss dem Kind einen Vater geben und ich hab den Mann auch geliebt. Wollte mehr Kinder mit ihm. Und ich muss auch sagen, als der 13. August \u201961 kam, also die Mauer gebaut wurde, hatte ich das Gef\u00fchl, jetzt haben mir andere das Problem abgenommen, weil ich nie richtig wusste, wie mach ich\u2019s richtig. Geht mein Privatleben vor, also meine W\u00fcnsche, meine Gef\u00fchle, oder muss ich nicht in meinem Land bleiben und am Aufbau mithelfen? Das hat mich viel Kraft gekostet. Sodass der 13. August erstmals eine Art Ruhe reingebracht hat.<\/p>\nIch hab gedacht: gut, jetzt sehe ich ihn vielleicht nicht wieder. Aber ich hab gesp\u00fcrt, dass es f\u00fcr mich eigentlich ganz gut war, ich war beruhigt. Dann bin ich aber doch r\u00fcber gegangen, weil er \u00fcber so eine Fluchthelfergesellschaft die Gelegenheit hatte, f\u00fcr \u2018nen Haufen Geld, uns zu holen. Dann hab ich\u2019s mir auch nicht leicht gemacht. Dennoch habe ich mich f\u00fcr meine privaten Gef\u00fchle entschieden. Was man nicht unbedingt nachvollziehen muss, aber es war halt so.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Und was hat dich dabei am meisten geschmerzt?<\/p>\nEllen:<\/strong> Das ich nicht mehr teilhaben konnte. Am weiteren Verbessern der Situation. Dass ich das, was selbstverst\u00e4ndlich war, aufgeben musste. Ich kannte ja die Verh\u00e4ltnisse, die im Westen herrschten, zwar nur aus Berichten oder aus dem Unterricht, aber ich wusste das da vieles \u2013 gerade was Soziales, Bildungsm\u00e4\u00dfiges und Gesundheitliches anbelangte \u2013 bei uns gut war. Und dass ich das jetzt verlassen muss und diese Ungewissheit, in welche Verh\u00e4ltnisse mein Kind kommt, wie es im Westen aufwachsen w\u00fcrde, das war f\u00fcr mich fast bedrohlich. Und trotzdem hab ich\u2019s gemacht.<\/p>\nMit dem Wissen von heute w\u00fcrde ich\u2019s nicht mehr machen. Doch damals konnte ich nicht anders und dazu stehe ich. Es gab damals viele aus meinen Reihen, die das nicht verstanden haben und auch heute gibt es noch welche. Aber das ist nun keine frage mehr. Ich hab\u2019s getan und das bin ich.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Und Ronald? Warum ist er wieder zur\u00fcckgegangen? Waren dass die Gr\u00fcnde weshalb er generell r\u00fcber gegangen ist? Was war da sein Interesse?<\/p>\nEllen:<\/strong> Er kannte die DDR ja nur als kleines Kind, bis 6. Da kriegst du ja nicht viel mit. Und dann hat er studiert in Leipzig und hat den Alltag kennen gelernt. Und dann hat er w\u00e4hrend der 3 Studienjahre gesehen, dass das Anliegen der sozialistischen Idee so gut ist, dass er dabei sein wollte, sie immer weiter zu verwirklichen. Obwohl er wusste, dass er ihnen zu radikal ist. Aber das ging ihm nicht unbedingt um dieses Pers\u00f6nliche. Er wollte einfach dabei sein. Das war die eine Seite. Die andere Seite war, dass er in einer gesicherten Position dort arbeiten konnte. Obwohl er nicht ver\u00f6ffentlicht werden w\u00fcrde, wusste er, dass er dort produzieren kann und dass er ein Recht auf Arbeit hat ein Recht auf eine Arbeitsstelle. Was es ja einfach im Westen nicht gab und auch nicht gibt.<\/p>\nPOSITION:<\/strong> Wie kam es denn \u00fcberhaupt, dass der Ronald den Kommunismus f\u00fcr vern\u00fcnftig befunden hat?<\/p>\nEllen:<\/strong> Also der Anfang bin sicherlich ich. Ich war ja seine Bezugsperson und er hat mitbekommen wenn ich von der DDR gesprochen habe. Da sind L\u00fcgen \u00fcber die DDR erstmal abgeprallt. Und ich habe ihm B\u00fccher aus der DDR kommen lassen.<\/p>\nUnd ich habe ausschlie\u00dflich gute Literatur gelesen und er auch. Ich war immer bem\u00fcht, ihn keinen Kitsch lesen zu lassen oder keine oberfl\u00e4chlichen Dinge. Und er kannte meine Einstellung und hat die sicherlich als Kind erstmal f\u00fcr wahr befunden. Die Umwelt formt ja den Menschen. Aber jetzt kam ja die Schule dazu. Und es h\u00e4tte durchaus sein k\u00f6nnen, dass er eher den Lehrern geglaubt h\u00e4tte, so wie es mir mit meinen Eltern gegangen ist. Und dass er mich nicht mehr ernst genommen h\u00e4tte. Das ist aber nicht passiert.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Was war denn das f\u00fcr Literatur, die er gelesen hat?<\/p>\nEllen:<\/strong> Ich wei\u00df zum Beispiel, dass er mit 14 schon den Faust gelesen hat. Ob er das alles verstanden hat wei\u00df ich nicht. Aber mit Interesse hat er das gelesen. Er hat die ganzen Klassiker gelesen. Goethe, Schiller, und ich wei\u00df noch, dass er mal aus dem Kinderbuchverlag der DDR mit acht ein Buch ab 12 gelesen hat. Meine Mutter hat ihm das aus der DDR mitgebracht hat. Als Geschenk. Und zwar waren das die Shakespeare-St\u00fccke als M\u00e4rchen f\u00fcr Kinder. Sodass er recht fr\u00fch schon mit den Figuren von Shakespeare und mit der Stilart, mit Sonetten bekannt wurde. Und sich da literarisch, belletristisch, auch selber weiter gebildet hat. Er hat alles gelesen was ich hatte. Und ich hatte halt nie Schund. Immer gute Schriftsteller, ob das nun Hermann Kant war oder Brecht, ganz viel, oder Heym. So hat er sich auch geistig gebildet. Und hat sich nie davon abbringen lassen, hat nie irgendwelche schlechten Sachen gelesen. Nat\u00fcrlich mit Einschr\u00e4nkung \u2013 er hat auch mal die Bravo gelesen. Die geht ja an keinem vorbei. Und auch den Superman. Aber er ist eben nicht dabei geblieben.<\/p>\nPOSITION:<\/strong> Und wie ist er schlie\u00dflich zu SDAJ gekommen?<\/p>\nEllen:<\/strong> Er hat da irgendwann Infomaterial gesehen und wusste gar nicht was das ist, brachte das mit und wir haben das zuhause gelesen. Und wir wussten gar nicht, dass es die DKP gab. Wir haben von den sogenannten 68er Jahren zum Beispiel gar nichts mitbekommen. Erstens mal waren wir in der Kleinstadt, da ist sowieso politisch null, und zweitens mal waren wir ja grade erst zwei Jahre dr\u00fcben, da hatten wir andere Sorgen. Diese Entt\u00e4uschung, den Vater doch nicht zu bekommen und doch keine Familie zu bekommen, die war gegenw\u00e4rtig. So das wir uns versucht haben, den Alltag so sch\u00f6n wie m\u00f6glich zu machen. Da hat uns die Umwelt gar nicht gek\u00fcmmert.<\/p>\nPOSITION:<\/strong> Und wie war sein Verh\u00e4ltnis zur SDAJ?<\/p>\nEllen:<\/strong> Er ist ja recht fr\u00fch in die SDAJ eingetreten, mit 16, und brachte immer Material mit nach Hause, ist auch ein halbes Jahr sp\u00e4ter in die DKP eingetreten.<\/p>\nAuf der einen Seite war er froh, Leute kennen zu lernen, die so denken wie er. Jugendliche die so sind wie er. Die Kritik war, dass man mit seinem Schwulsein nicht zurecht gekommen ist. Das war ein Konflikt f\u00fcr ihn, dass ein Jugendverband oder ein Partei, die ja doch sehr offen ist, aber an manchen stellen so bl\u00f6d. Das hat ihn entt\u00e4uscht. Einen hat er kennengelernt, der auch beides war, Kommunist und schwul. Die haben sich dann viel unterhalten. Aber sonst war das ein Tabu-Thema. Das war dann \u201976. Da redete man nicht offen dar\u00fcber.<\/p>\n
Und was auch seine Kritik war: Er hat fr\u00fch gemerkt, dass er gern schreibt. Einmal hatte er sich f\u00fcr ein Poeten-Seminar in der Karl-Liebknecht-Schule angemeldet. Und das fanden die Genossen aus der Gruppe da nicht so wichtig. Und erst viel sp\u00e4ter haben sie mir mal gesagt, nach Ronalds Tod, sie haben den Ronald damals nicht verstanden. Warum wissen sie selber nicht. F\u00fcr die kamen nur politische Themen infrage und das war auch sehr befremdlich f\u00fcr Ronald und mich. Denn wenn es solche Themen doch schon angeboten gibt, dann muss man doch damit rechnen, dass sich jemand daf\u00fcr meldet?! Das waren so ein paar Widerspr\u00fcche. Aber wie das so ist, die Grundlinie stimmte. Und er ist auch immer dann dabei geblieben. Und er hatte immer Kritik, war immer einer von denen, die gerade raus ihre Meinung gesagt haben. In dem Bestreben, dass es besser wird. Dass man mehr zu sich steht und f\u00e4higer wird.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Was hat er denn immer so gemacht, hatte er bestimmte Funktionen?<\/p>\nEllen:<\/strong> Der war immer aktiv. Im Redaktionskollegium etwa. Da war er schon in der sechsten Klasse. Die anderen waren alle so elfte, zw\u00f6lfte. Da war er schon dabei die Sch\u00fclerzeitung mitzugestalten. Und da hab ich auch heute noch einige Artikel.<\/p>\nUnd sp\u00e4ter war er in der DKP auch im Gruppenvorstand, da hat er auch die Zeitung f\u00fcr Hannover gemacht. Es war immer sein Bestreben, sich zu \u00e4u\u00dfern. Nicht einfach nur als Parteimitglied rumzusitzen und zuzuh\u00f6ren, was da vorne jemand verk\u00fcndet, sondern er wollte immer mitmachen. Aktiv sein. Und da ihm das Schreiben lag, liegt es ja nahe, dass einer sich da bet\u00e4tigt. Er konnte gut formulieren. So war er eben auch im Gruppenvorstand, der hat immer aktiv mitgewirkt und kritisiert. Und das ist so geblieben. Bis zu seinem Tod.<\/p>\n
Und \u201edie tage in l.\u201c steckt voller Kritik. An der DDR. Obwohl er die geliebt hat. Aber er hatte eben diese Kritik. Sodass nicht mal das in der DDR ver\u00f6ffentlicht werden konnte. So bl\u00f6d war man damals. Also sein Mentor, der Leiter des Literaturinstituts in Leipzig war, der hat immer gesagt: \u201edie tage in l.\u201c m\u00fcsste in die Schulen der DDR. Das hat niemand gemacht. Und so ist es auch wieder im Westen verlegt worden.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Wie war das mit den anderen Werken?<\/p>\nEllen:<\/strong> \u201elegende\u201c hat er vier Wochen vor seinem Tod noch fertig gestellt. Und da haben Thomas Keck, sein Lebenspartner und ich auch acht Jahre gebraucht, denn wer verlegt schon 600 Seiten \u00fcber was, wo es auch wieder um Ost und West geht. Auch noch verpackt in so \u2018ne Engelsgeschichte. Das war nicht einfach. Dann hat der Thomas Keck viele Artikel, die schon ver\u00f6ffentlicht waren oder die auch im Nachlass herausgesucht wurden als \u201eK\u00f6nigin im Dreck\u201c herausgegeben.<\/p>\nPOSITION:<\/strong> Also war Ronald auch anders publizistisch t\u00e4tig?<\/p>\nEllen:<\/strong> Ja, der hat sich Geld verdient als Journalist. Einmal um sich zu \u00e4u\u00dfern und nat\u00fcrlich auch um Geld zu verdienen. Muss man ja. Und da ist in den linken Zeitungen immer wieder was von ihm gewesen. Ich wei\u00df nicht wie viel insgesamt.<\/p>\nUnd dann ist die \u201eIrene Binz\u201c jetzt erst rausgekommen, zum 50. Geburtstag. Die ist er damals auch nicht losgeworden. Da hat er damals auch eine Kunstform raus entwickelt, in Blankversen. Das findet man in der \u201elegende\u201c. Das ist darin ein bisschen untergegangen. Die liest sich auch so schon nicht leicht.<\/p>\n
POSITION:<\/strong> Zu welchem Werk w\u00fcrdest du jetzt im Moment als erstes greifen?<\/p>\nEllen:<\/strong> \u201elegende\u201c. Weil das so vielschichtig ist. Obwohl ich das ja mindestens drei Mal lesen musste. Ich hab\u2019s ja mit korrigiert. 2 Mal. Da hab ich manches nicht verstanden. Heute ist das so ein Buch f\u00fcr den Nachttisch. Das kann man aufschlagen wo man will, man kann zu jedem Thema was finden. Ob das eine Erz\u00e4hlung ist oder ein M\u00e4rchen oder Interviews, oder einfach subjektive Aussagen. Das ist wirklich wie eine Bibel, so hat der Ronald das auch geschrieben. Der hat sie auch zweispaltig geschrieben. Du schl\u00e4gst es auf und liest dich fest. Und wenn dich was nicht so interessiert, dann bl\u00e4tterst du weiter und du st\u00f6\u00dft hundertpro auf eine Stelle die dich interessiert. \u00dcber die du nachdenken kannst. Und das ist das sch\u00f6ne daran. Sein Opus Magnum, sein gro\u00dfes Werk.<\/p>\nPOSITION:<\/strong> Zum Festival der Jugend: Wir sind sehr froh, dass du unsere Einladung angenommen hast!<\/p>\nEllen:<\/strong> Also, ich bin hochbegl\u00fcckt! Also muss ich dir wirklich sagen, ich hab mich riesig gefreut als du angerufen hast. Dar\u00fcber, dass ihr, die ihr meine Enkel sein k\u00f6nntet, dass ihr Interesse habt an mir und an meiner Generation und an dem was wir so erlebt haben. Freu ich mich.<\/p>\nDas Interview f\u00fchrte: \nLea, Essen<\/strong>\t\t<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"Das Festival der Jugend findet vom 25 bis zum 28 Mai in K\u00f6ln statt. Das vollst\u00e4ndige Programm mit Line-Up, politischen Runden und Workshops findest du hier: Festival der Jugend 2012 […]<\/p>\n","protected":false},"author":70,"featured_media":1399,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_et_pb_use_builder":"","_et_pb_old_content":"","_et_gb_content_width":"","footnotes":""},"categories":[22],"tags":[45],"yoast_head":"\n
Festival der Jugend 2012: "Nichts anderes ist, als was wir draus machen" - SDAJ Baden-W\u00fcrttemberg<\/title>\n \n \n \n \n \n \n \n \n \n \n\t \n\t \n\t \n \n \n \n\t \n\t \n\t \n