{"id":2065,"date":"2015-09-07T08:55:10","date_gmt":"2015-09-07T08:55:10","guid":{"rendered":"http:\/\/www.sdaj-netz.de\/ov-tuebingen\/?p=958"},"modified":"2015-09-07T08:55:10","modified_gmt":"2015-09-07T08:55:10","slug":"refugees-welcome-es-ist-genug-fuer-alle-da","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.bawue.sdaj.org\/2015\/09\/07\/refugees-welcome-es-ist-genug-fuer-alle-da\/","title":{"rendered":"Refugees Welcome! Es ist genug f\u00fcr alle da!"},"content":{"rendered":"
Tausende Menschen sind im ersten Halbjahr 2015 beim Versuch gestorben, \u00fcber das Mittelmeer nach Europa zu gelangen bei dem Versuch Armut, Verfolgung oder Krieg zu entkommen. Diejenigen, die es nach Deutschland schaffen, werden in Turnhallen und Zeltst\u00e4dten untergebracht. Menschenrechtsorganisationen berichten von katastrophalen Zust\u00e4nden dort: Kaum medizinische Versorgung, schlechte Hygiene und zu wenig Nahrung. Schaut man sich Bilder dieser Unterbringungen an, denkt man an Krisengebiete.<\/em><\/p>\n Hilfsbereitschaft jetzt notwendig<\/strong> Niemand fl\u00fcchtet freiwillig!<\/strong> Schuld haben die Herrschenden, nicht die Fl\u00fcchtlinge<\/strong> Wir fordern deswegen:<\/strong><\/p>\n Erkl\u00e4rung der AG Antifaschismus und Antirassismus der SDAJ
\nSeit zwei Tagen wird am M\u00fcnchner Hauptbahnhof sichtbar, was l\u00e4ngst schon Realit\u00e4t ist. Tausende Fl\u00fcchtlinge treffen mit Z\u00fcgen aus Ungarn und \u00d6sterreich ein. F\u00fcr alle Augen sichtbar, nicht mehr wie bisher als Einzelne in der anonymen Masse str\u00f6men sie aus den Z\u00fcgen in die Gro\u00dfstadt. Die M\u00fcnchner Bev\u00f6lkerung reagiert mit enormer Hilfsbereitschaft; Essensausgaben und Willkommensgesten werden organisiert. Auch in Berlin warten 1.000 Fl\u00fcchtende derzeit auf ihre Registrierung.) Einige schlafen seit zwei Wochen drau\u00dfen auf dem Boden vor dem Landesamt f\u00fcr Gesundheit und Soziales (LaGeSo). BerlinerInnen organisieren Nahrungsmittel, medizinische Versorgung und Freizeitprogramm f\u00fcr Kinder und Jugendliche. Es ist gut und wichtig, dass so viele Menschen helfen. Es ist beeindruckend wie viele sich real f\u00fcr eine Willkommenskultur einsetzen, eine Willkommenskultur, die bei PolitikerInnen in der Regel nur leere Phrase ist.
\nFl\u00fcchtende werden in Turnhallen untergebracht, w\u00e4hrend in St\u00e4dten ganze Stadtteile leer stehen. W\u00e4hrend am M\u00fcnchner Hauptbahnhof ein Ausnahmezustand mit chaotisch selbstorganisierter Solidarit\u00e4t zugelassen wird, um tausende Fl\u00fcchtlinge mit den scheinbar letzten Mitteln und privaten Spenden zu versorgen, erwartet die Gro\u00dfstadt in wenigen Wochen \u00fcber sechs Millionen G\u00e4ste zum Oktoberfest. F\u00fcr das Oktoberfest werden viele \u00f6ffentliche Gelder ausgegeben und hohe private Gewinne eingefahren. F\u00fcr die ankommenden Fl\u00fcchtlinge ist das nicht der Fall. Sie sind auf die unentgeltliche Hilfe Ehrenamtlicher angewiesen. Sogar die M\u00fcnchner Polizei und die Stadt haben zur freiwilligen Hilfe aufgerufen. Das jedoch nimmt diesen Staat nicht aus der Verantwortung sich um diese gesellschaftliche Aufgabe zu k\u00fcmmern.
\nIn Ingolstadt wird auf Betreiben der bayerischen CSU-Regierung stattdessen ein Lager gebaut, in dem ausschlie\u00dflich Menschen aus S\u00fcdosteuropa untergebracht werden sollen. Weil sie \u201eWirtschaftsfl\u00fcchtlinge\u201c aus dem Ostbalkan seien, also vor Armut und Hunger fliehen, h\u00e4tten sie kein Recht in Deutschland zu sein. Die Einrichtung ist so konzipiert, dass der Abschiebeprozess innerhalb eines Monats vonstatten geht. Bund und L\u00e4nder dr\u00fccken sich davor, den Kommunen zu helfen ausreichend qualifiziertes Personal f\u00fcr die Betreuung und Versorgung der Fl\u00fcchtenden einzustellen. Stattdessen wird billigend in Kauf genommen, dass sich viele ehrlich helfende H\u00e4nde freiwillig und ehrenamtlich aufreiben um Hilfe zu leisten. Aus Sicht der Herrschenden sind traumatisierte, kriegsgesch\u00e4digte und fluchtgezeichnete Menschen es wohl nicht wert von entlohnten ausgebildeten Fachkr\u00e4ften betreut zu werden.<\/p>\n
\nDas Vorurteil des \u201eWirtschaftsfl\u00fcchtlings\u201c ist noch immer tief verankert; hartn\u00e4ckig h\u00e4lt sich das Ger\u00fccht, Fl\u00fcchtlinge bek\u00e4men bis zu 8.000 Euro bei ihrer Ankunft in Deutschland. Die Realit\u00e4t sieht anders aus: Fl\u00fcchtlinge leben in Deutschland meist unter unzureichenden Bedingungen auf engstem Raum, d\u00fcrfen sich nicht frei bewegen, und ihnen wird verboten zu arbeiten. Ob sie wollen oder nicht, sie sind auf mickrige staatliche Unterst\u00fctzung angewiesen und haben kein Chance sich eine Perspektive aufzubauen. Hinzu kommt die permanente Angst, abgeschoben zu werden.
\nEs gibt viele Gr\u00fcnde f\u00fcr Flucht: Armut, Krieg, Hunger, Vertreibung, politische Verfolgung, Unzufriedenheit. Fl\u00fcchtenden zu unterstellen, sie k\u00e4men nur aufgrund der \u201eAnreize\u201c deutscher Sozialpolitik nach Deutschland, sie k\u00e4men um sich hier ein laues Leben zu erm\u00f6glichen, ist pure Ignoranz und Hetze. Fl\u00fcchtlinge riskieren bei einer Fahrt \u00fcbers Mittelmeer ihr Leben, ebenso wie in einem LKW durch Osteuropa. Sie wissen, dass ihre Familie beim Versuch die mazedonische Grenze zu \u00fcberqueren zerrissen werden kann. Warum w\u00fcrden sie bis zu 10.000 Euro f\u00fcr Schlepper bezahlen, wenn sie in Deutschland weniger als 9 Euro pro Tag bekommen? Flucht hat nichts mit vermeintlichen deutschen \u201eAnreizen\u201c zu tun, Flucht bedeutet zu \u00fcberleben!
\nDoch in Deutschland steigt die Zahl rechter \u00dcbergriffe: 2012 gab es offiziell 24 rechts-motivierte Angriffe auf Asylbewerberunterk\u00fcnfte, 2014 waren es 162 rechte Angriffe. Im ersten Halbjahr 2015 waren es 175 \u2013 K\u00f6rperverletzung, Brandstiftung und sogar Sch\u00fcsse auf Fl\u00fcchtlingsunterk\u00fcnfte in Leipzig und Bochum. Demonstrationen und Veranstaltungen von Fl\u00fcchtlingsunterst\u00fctzerInnen, wie zuletzt in Heidenau, werden kriminalisiert.<\/p>\n
\n\u201eWir sind hier, weil ihr unsere L\u00e4nder zerst\u00f6rt\u201c. Dieser Satz ist auf den Plakaten protestierender Fl\u00fcchtlinge zu lesen. Und damit haben sie Recht: Dass die Au\u00dfenpolitik Deutschlands und der anderen NATO-Staaten zu den Umst\u00e4nden in den Heimatl\u00e4ndern der Fl\u00fcchtlinge beitr\u00e4gt, wird deutlich, wenn in L\u00e4ndern wie Syrien oder dem ehemaligen Jugoslawien imperialistischen M\u00e4chte unter dem Deckmantel von \u201eDemokratisierung und Friedenseins\u00e4tzen\u201c das politische System nach den Interessen der Banken und Konzerne umw\u00e4lzen \u2013 wenn n\u00f6tig mit milit\u00e4rischen Mitteln. Dass es dabei nicht um Demokratie oder die Verteidigung von Menschenrechten geht, wird schnell klar. Es geht um Einflusssph\u00e4ren f\u00fcr deutsche Politik und Unternehmen, um Absatzm\u00e4rkte und Rohstoffe, geostrategische Interessen, um billige Arbeitskr\u00e4fte. Sie hinterlassen Armut und Krieg in den betroffenen L\u00e4ndern und schaffen schlie\u00dflich auch die Bedingungen f\u00fcr andauernde Gewalt. Mit einer Versch\u00e4rfung von nationalen Konflikten nimmt nat\u00fcrlich auch die politische Verfolgung zu. Hier hat Deutschland seine Finger tief mit drin. Die genehmigten Waffenexporte der Bundesregierung, haben im ersten Halbjahr 2015 bereits den Wert des gesamten Vorjahres erreicht. Diese Waffen werden unter anderem nach Saudi Arabien und die T\u00fcrkei geliefert \u2013 L\u00e4nder die unter anderem den IS direkt ausstatten.
\nSchuld haben die Herrschenden, nicht die Fl\u00fcchtlinge. Wenn die Rente gek\u00fcrzt wird, immer unsicherere Arbeitsverh\u00e4ltnisse herrschen, Kommunen pleite sind, wenn immer mehr Jobs gestrichen werden, dann ist das eine Folge der Politik der Herrschenden und nicht die Schuld von fl\u00fcchtenden Menschen. Diese aber werden als Schuldige dargestellt: Der Ausl\u00e4nder, die Islamisierung, die Fl\u00fcchtlinge. Es ist die Angst, nichts mehr vom immer kleiner werdenden Kuchen abzubekommen. Deswegen sollen wir die Ellenbogen ausfahren und im schlimmsten Fall auch dem Brandanschlag Beifall klatschen. Doch nur Neonazis verantwortlich zu machen greift zu kurz. Es ist die unsoziale Politik der Bundesregierung, die den Boden daf\u00fcr bereitet. Es sind die deutschen Banken und Konzerne, f\u00fcr deren Wirtschaftsinteressen Krieg gef\u00fchrt wird und die von Billigl\u00f6hnen in Deutschland und anderswo profitieren. Es ist ihre menschenverachtende Fl\u00fcchtlingspolitik, die abgelegene und schmutzige Asylbewerberheime erst m\u00f6glich machen.
\nDie Situation wird sich nur \u00e4ndern, wenn wir auch die Fluchtursachen bek\u00e4mpfen. Ohne den Stopp von Auslandseins\u00e4tzen und Waffenexporten wird sich langfristig nichts \u00e4ndern. Aber wir wissen um den Reichtum, den dieses Land h\u00fctet. Vor wenigen Jahren wurden \u00fcber Nacht Milliarden zur Rettung von \u201esystemrelevanten Banken\u201c bereitgestellt. F\u00fcr Menschlichkeit und Solidarit\u00e4t fehlt dieses Geld bisher.<\/p>\n\n
\n2. September 2015<\/em><\/p>\n