{"id":2092,"date":"2017-05-02T09:48:58","date_gmt":"2017-05-02T09:48:58","guid":{"rendered":"http:\/\/www.sdaj-netz.de\/ov-tuebingen\/?p=1201"},"modified":"2017-05-02T09:48:58","modified_gmt":"2017-05-02T09:48:58","slug":"offener-brief-wir-protestieren-gegen-den-missbrauch-des-e-mailverteilers-der-uni-zur-verbreitung-einseitiger-pro-eu-propaganda","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.bawue.sdaj.org\/2017\/05\/02\/offener-brief-wir-protestieren-gegen-den-missbrauch-des-e-mailverteilers-der-uni-zur-verbreitung-einseitiger-pro-eu-propaganda\/","title":{"rendered":"Offener Brief: Wir protestieren gegen den Missbrauch des E-Mailverteilers der Uni zur Verbreitung einseitiger Pro-EU- Propaganda"},"content":{"rendered":"

\t\t\t\tDiesen Brief haben wir heute an die Verwaltung der Universit\u00e4t T\u00fcbingen geschickt:<\/p>\n

Sehr geehrte Frau Prorektorin Monique Scheer, sehr geehrtes Rektorat,<\/p>\n

Wer schon einmal hochschulpolitisch aktiv war und sich f\u00fcr die Interessen der Studierenden und der Uni-Besch\u00e4ftigten eingesetzt hat, der wei\u00df, wie schwierig bis unm\u00f6glich es ist, die Uni-Leitung dazu zu bewegen, auch nur f\u00fcr eine einzige Infomail den Univerteiler nutzen zu d\u00fcrfen. Und dabei geht es immerhin um Belange, die mit der Universit\u00e4t direkt zu tun haben. Ganz andere Standards gelten offenbar dann, wenn es um politische Positionen geht, die dem Rektorat genehm sind. Am 27.4.2017 durfte in einer \u201evon der Universitaetsleitung genehmigte(n) Rundmail\u201c ein gewisser Alexander Schilin f\u00fcr eine \u201eproeurop\u00e4ische Demo\u201c auf dem Holzmarkt werben. In der Mail kann man lesen, es ginge um den \u201eErhalt (!) einer demokratisch und solidarisch organisierten Europ\u00e4ischen Union\u201c, um die \u201eBewahrung (!) eines europ\u00e4ischen B\u00fcndnisses zur Sicherung des Friedens und zur Gew\u00e4hrleistung von Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit\u201c. Die Auffassung der Organisatoren ist also, dass die EU f\u00fcr all das steht: Frieden, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit.<\/p>\n

Moment mal\u2026<\/p>\n

Frieden?<\/p>\n

In ihren Anf\u00e4ngen war die europ\u00e4ische Einigung vor allem weltpolitisch motiviert, als Bollwerk gegen den Kommunismus und St\u00fctzpunkt f\u00fcr einen eventuellen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion \u2013 die Pl\u00e4ne f\u00fcr diesen Krieg lagen bereits in britischen Schubladen (als \u201eOperation Unthinkable\u201c). Dazu kam es nicht, aber EU-Staaten waren und sind f\u00fcr zahlloseKriege verantwortlich, als Verursacher und Beteiligte. Dazu z\u00e4hlt der Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999, den vor allem die deutsche Bundesregierung mit einer Reihe frei erfundener Vorw\u00e4nde (\u00fcber einen angeblichen, in Wahrheit nie stattgefundenen V\u00f6lkermord im Kosovo) vom Zaun gebrochen hat. Dazu z\u00e4hlen ebenso die Angriffskriege gegen Afghanistan, Irak, Libyen, die Interventionen in Syrien, Mali, der Elfenbeink\u00fcste, die Anti-Piraterie-Eins\u00e4tze am Horn von Afrika, die indirekte Beteiligung am Krieg in der Ukraine, dem Massaker Saudi-Arabiens im Jemen und viele mehr. Doch nicht nur die einzelnen Staaten, auch die EU als solche ist und war an zahllosen Milit\u00e4reins\u00e4tzen beteiligt: in Ex-Jugoslawien, Georgien, Afghanistan, Irak, Pal\u00e4stina und vielen afrikanischen L\u00e4ndern. Ziel bei alldem ist nie der Schutz der \u201eMenschenrechte\u201c, sondern die Sicherung von Rohstoffen, Absatzm\u00e4rkten, Transportwegen und Investitionen, wie es in diversen Strategiepapieren und \u201eWei\u00dfb\u00fcchern\u201c immer wieder auch offen ausgesprochen wird. Der Ex-Verteidigungsstaatssekret\u00e4r Friedbert Pfl\u00fcger dr\u00fcckte das 2010 so aus: \u201eVielmehr muss die EU lernen, ihre Interessen auf den Schaupl\u00e4tzen der Welt zu definieren und durchzusetzen.\u201c Die EU ist zusammengenommen Weltmeister bei den R\u00fcstungsexporten (mit 34% gegen\u00fcber 30% der USA 2006-2010)[1]. EU und NATO betreiben auf vollen Touren Mobilmachung undEskalation gegen Russland, die Stationierung von Truppen immer n\u00e4her an der russischen Grenze, den Aufbau von \u201eRaketenabwehrschilden\u201c, die die nukleare Zweitschlagsf\u00e4higkeit (!) Russlands verhindern sollen und weitere Ma\u00dfnahmen, die die Menschheit st\u00e4ndig dem Risiko der atomaren Ausl\u00f6schung aussetzen. Nein, die EU ist kein Friedens- sondern ein imperialistisches Kriegsb\u00fcndnis. Sie ist ohne die NATO nicht zu denken.<\/p>\n

Freiheit und Rechtsstaatlichkeit?<\/p>\n

An den EU-Au\u00dfengrenzen werden fl\u00fcchtende Menschen (auf der Flucht vor Kriegen, die die EU mitverantwortet hat) zu Tausenden ertrinken lassen und in S\u00fcdeuropa unter menschenunw\u00fcrdigen Bedingungen jahrelang in Lager gesperrt. In zahlreichen osteurop\u00e4ischen L\u00e4ndern sind kommunistische Parteien und Symbole verboten, die Geschichte wird staatlich umgef\u00e4lscht in Richtung einer Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus. Die EU selbst ist ein zentraler Akteur dieses rechten Geschichtsrevisionismus. Die EU arbeitet eng mit dem diktatorischen Regime in der Ukrainezusammen, an dem offene Faschisten beteiligt sind, das Krieg gegen das eigene Volk f\u00fchrt und fortschrittliche oder prorussische Oppositionelle brutal unterdr\u00fcckt. Die EU kooperiert eng mit reaktion\u00e4ren Diktaturen wie Saudi-Arabien, Qatar oder \u00c4gypten, um ihre Interessen in der Region zu wahren. Sie pflegt enge, auch milit\u00e4rische Beziehungen zu Staaten wie der T\u00fcrkei und Israel, die f\u00fcr massive ethnische Unterdr\u00fcckung verantwortlich sind. Wessen Freiheit ist also gemeint? Wohl eher die \u201evier Freiheiten\u201c aus der EinheitlichenEurop\u00e4ischen Akte, die den Unternehmen ungehinderten Handel, Investitionen und billige Arbeitskr\u00e4fte garantieren. Diese sind die \u201eGrundidee\u201c der EU. Das kann man nicht im fortschrittlichen Sinne reformieren, sondern nur abschaffen.<\/p>\n

Gerechtigkeit?<\/p>\n

Die EU hat in Zusammenarbeit mit dem Internationalen W\u00e4hrungsfonds in den vergangenen Jahren eine Politik der Massenverelendung in S\u00fcdeuropa durchgesetzt, gegen den massiven Widerstand der Bev\u00f6lkerung. Obdachlosigkeit, Drogenkonsum, Suizidraten und Auswanderung schnellen in diesen L\u00e4ndern in die H\u00f6he, weil sich der Lebensstandard aufgrund der EU-Politik im freien Fall befindet. In Griechenland, Portugal oder Spanien sterben Menschen an CO-Vergiftung, weil sie sich keine Heizung mehr leisten k\u00f6nnen oder an heilbaren Krankheiten, weil das Gesundheitssystem zum Kollaps gebracht wurde. Mehr als die H\u00e4lfte der Jugendlichen in Griechenland und Spanien hat keinen Job, die andere H\u00e4lfte arbeitet unter prek\u00e4rsten Bedingungen. Und in der restlichen EU? Der Fiskalpakt und das Europ\u00e4ische Semester sorgen daf\u00fcr, dass jedes Land seinen Haushalt \u201eausgeglichen\u201c h\u00e4lt, d.h. bei Sozialem, Bildung und Gesundheit spart, w\u00e4hrend gleichzeitig (laut Lissabon- und Europe2020-Strategie) die \u201eWettbewerbsf\u00e4higkeit\u201c des Kapitals zum obersten Ziel erkl\u00e4rt wird.<\/p>\n

Es bleibt dabei: Die EU ist ein Herrschaftsprojekt der Banken und Konzerne, ein Feind aller Lohnabh\u00e4ngigen. Mit sozialer oder sonstwelcher Gerechtigkeit hat sie nicht das Geringste zu<\/p>\n

tun.<\/p>\n

Der Demo-Aufruf von \u201ePulse of Europe\u201c erweckt den Eindruck, gegen die EU w\u00e4ren nur \u201eRechtspopulisten\u201c \u00e0 la AfD und Front National. Dementsprechend w\u00e4re man \u201edemokratisch\u201c oder gar \u201elinks\u201c, wenn man f\u00fcr die EU ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die EU ist ein autorit\u00e4res, reaktion\u00e4res Gebilde, in dem nicht-gew\u00e4hlte Institutionen wie die EZB oder EU-Kommission Herrschaft \u00fcber Hunderte Millionen Menschen aus\u00fcben \u2013 immer im Interesse des Kapitals, immer gegen die Interessen der breiten Masse.<\/p>\n

Viele Menschen empfinden das so und suchen ihr Heil in rechten Rattenf\u00e4ngern wie Le Pen. Die Ursache daf\u00fcr ist aber der real existierende Kapitalismus der EU. Wer gegen Le Pen f\u00fcr die EU demonstriert, macht den Brandstifter zur Feuerwehr. Die kapitalistische Standortkonkurrenz, die von der EU noch bei weitem versch\u00e4rft wurde, ist ja \u00fcberhaupt die Grundlage des r\u00fcckw\u00e4rtsgewandten Nationalismus dieser Kr\u00e4fte.<\/p>\n

Diese Einsch\u00e4tzung muss man nicht teilen. Wir verlangen nicht, dass die Uni-Leitung sie sich zueigen macht. Wir verlangen aber, dass sie davon absieht, einseitiger Propaganda wie der von \u201ePulse of Europe\u201c eine Plattform zu bieten, w\u00e4hrend sie ansonsten politische Neutralit\u00e4t vorheuchelt.<\/p>\n

Mit freundlichen Gr\u00fc\u00dfen<\/p>\n

Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) T\u00fcbingen<\/p>\n

[1]Quelle: Informationsstelle Militarisierung: Factsheet EU-Militarisierung, online: http:\/\/imi-online.de\/download\/eu2012_web.pdf<\/a>\t\t<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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