<\/a><\/span>Am 16.\/17. November 2013 fand in T\u00fcbingen der Kongress der Informationsstelle Militarisierung e.V., (kurz IMI) statt. Das Wochenende drehte sich um den \u201cKrieg um die K\u00f6pfe\u201d, also gewisserma\u00dfen um die Frage wie die herrschende Klasse in Deutschland es schafft, Kriege zu planen, vorzubereiten, auszuf\u00fchren, aus ihnen Profit zu schlagen und sie abzufeiern \u2013 und dies alles ohne allzu gro\u00dfe Gegenwehr der in Deutschland lebenden Menschen. Oder, um es mit dem Untertitel der Veranstaltung auszudr\u00fccken: \u201c\u00dcber die Mobilisierung von Zustimmung und die Demobilisierung von Protest\u201d. Wir waren bei einem Teil der Vortr\u00e4ge und Diskussionen dabei und wollen sie im Folgenden kurz zusammenfassen.<\/p>\nDie IMI er\u00f6ffnete den Kongress mit einigen Impressionen aus dem vergangenen Jahr z.B. der medialen Selbstinszenierung der Bundeswehr, sowie \u00f6ffentlicher Gegenwehr wie dem Protest gegen den Auftritt des Verteidigungsministers de Maiziere an der Humboldt Universit\u00e4t Berlin. Nach dieser skizzenhaften Sichtung der momentanen Verh\u00e4ltnisse begann Claudia Haydt (IMI) mit einem Vortrag zur \u201cmedialen Konstruktion von Bedrohung\u201d und der \u201cNormalisierung von Krieg\u201d in der BRD. Wie wurde ein sogenannter islamistischer Terrorismus medial zum prim\u00e4ren Feindbild erhoben unter gleichzeitiger und anhaltender Vernachl\u00e4ssigung des wirklichen Terrors von deutschen Faschisten? Welche Metaphern und Bilder werden heutzutage wieder aufgegriffen, die bereits zur Verfolgung von und im Kampf gegen Kommunist_innen en vogue waren? Und wie versuchen die Akteure der deutschen Kriegspolitik diese zu legitimieren? Interessant war vor allem die Herausarbeitung von Mustern wie z.B. einer typischen medialen Inszenierung zur Anbahnung von Kriegseins\u00e4tzen: Zun\u00e4chst sind die Medien einige Wochen lang voll von Berichten \u00fcber das Leid der Bev\u00f6lkerung, dann \u00e4u\u00dfern Politiker_innen ihre Betroffenheit und Emp\u00f6rung, aber auch, dass sie an Krieg nat\u00fcrlich nur mit jeder Menge Bauchschmerzen und Verantwortungsgef\u00fchl denken.Ist diese Grundlage erstmal geschaffen, folgen die Frontberichte \u00fcber den \u2013 nat\u00fcrlich trotz Bauchschmerzen und Verantwortungsgef\u00fchl durchgef\u00fchrten – chirurgisch sauberer Einsatz mit neuestem Kriegsger\u00e4t und scheinbar ohne Opfer. Die Kr\u00f6nung ist dann am Schluss die f\u00fcr die westlichen Medien inszenierte erleichtert-euphorische Siegesfeier der Bev\u00f6lkerung.Oder Strategien der Entmenschlichung (die Darstellung des Gegners als b\u00f6se, irrational und unberechenbar; die Darstellung der Situation als eine, welche schlimmer nicht sein k\u00f6nnte, sodass insbesondere ein Krieg sie nur verbessern kann; die Darstellung fehlender Handlungsspielr\u00e4ume der leidenden Bev\u00f6lkerung usw). Und neben diesen Inszenierungen nat\u00fcrlich immer wieder Kriegsl\u00fcgen, das Verschweigen eigener Macht- und Wirtschaftsinteressen und das systematische Auslassen der Folgen der Kriegseins\u00e4tze f\u00fcr die Menschen.<\/p>\n
Der Historiker Frank Reichherzer (HU Berlin) legte nach und blickte zur\u00fcck auf die Militarisierung (das Eindringen und Hineinwirken des Milit\u00e4rs in die Gesellschaft) und \u201eBellifizierung\u201c (die Ausrichtung einer Gesellschaft auf Krieg) in Deutschland inbesondere zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg. Entlang der Frage, wie sich Milit\u00e4r und Krieg in eine Gesellschaft und in (nicht-)akademische Wissenschaft einschreiben, wurde die Entstehung der Wehrwissenschaften und die Miteinbeziehung von Kriegsaspekten in die zivile Forschung in der Weimarer Republik dargestellt. Ein auf den ersten Blick am\u00fcsantes Beispiel ist die Planung der strategischen Bepflanzung von Ost- bzw. Westufern von Fl\u00fcssen in Grenzn\u00e4he mit gro\u00dfen B\u00e4umen, an welchen keine Panzer vorbeikommen auf der einen sowie sch\u00fctzendem Gestr\u00fcpp auf der anderen Seite. Die Initiative hierf\u00fcr kam nicht etwa aus dem Generalstab oder dem Kriegsministerium, sondern aus der Zivilgesellschaft. Krieg wurde zwischen den Weltkriegen zu einer anerkannten Sichtweise auf Dinge und Verh\u00e4ltnisse (was sich zum Beispiel in Begriffen wie der \u201cSportkanone\u201d niederschlug) und fungierte so als Scharnierbegriff zwischen verschiedenen Bereichen des Lebens (was zu seiner Normalisierung und Naturalisierung beitrug). Krieg wird also ma\u00dfgeblich dadurch erm\u00f6glicht, so das Fazit, dass es den Herrschenden gelingt, die Gesellschaft mit einer Kultur des Krieges zu Durchdringen.<\/p>\n
Am Samstagabend widmete sich ein Podium einem Thema, welches pr\u00e4gnant als \u201cbanale Militarisierung\u201d bezeichnet wurde. Thomas Mickan (IMI) hatte sich die Kindertagesst\u00e4tten der Bundeswehr vorgekn\u00f6pft: Diese erkauft sich immer mehr Belegrechte f\u00fcr Kitapl\u00e4tze (sofern sie nicht eigene besitzt), \u00fcberreicht in erstaunlicher Frequenz wohlt\u00e4tige \u00dcberweisungsschecks an Kinderg\u00e4rten und trichtert den Kindern von Bundeswehrsoldat_innen bei Spiel und Spa\u00df ganz nebenbei ein, wie toll und aufregend der Beruf ihrer Eltern ist. Jonna Sch\u00fcrkes nahm einige Schulb\u00fccher aus Baden-W\u00fcrttemberg unter die Lupe und untersuchte die Darstellung der Bundeswehr, der Au\u00dfenpolitik der BRD sowie der Kriegseins\u00e4tze. Ein Gro\u00dfteil des Publikums konnte \u00fcber die plumpe Propaganda und Kriegsverherrlichung sowie die suggestiven Arbeitsfragen der B\u00fccher nur noch erstaunt lachen \u2013 aber das Lachen blieb auch halb im Hals stecken, da wir wissen wie stark Sch\u00fcler_innen von dieser Kriegspropaganda beeinflusst werden. Frank Brendle legte dar, wie die vermehrten Kriegseins\u00e4tze der Bundeswehr das Bed\u00fcrfnis nach neuen Orden und neuen Denkm\u00e4lern mit sich brachte. Ein gewisses Heldentum scheint auch in der \u201cpost-heroischen\u201d b\u00fcrgerlichen Gesellschaft notwendig zu sein.<\/p>\n
Am Sonntag schloss der IMI-Kongress mit einem Referat von Johannes Becker. Dieser versuchte nachzuvollziehen, wie die Bourgeoisie es geschafft hat ein neues Bild vom Krieg in den K\u00f6pfen der Menschen zu etablieren \u2013 eines, in dem Krieg als normale Fortsetzung von Politik und antimilitaristischer und pazifistischer Protest nicht notwendig erscheint. Er riss dabei einer Vielzahl von Punkten an: Die Inszenierung der Verteidigungsminister Guttenberg und de Maiziere, der Stolz auf das Hightech-Exportweltmeister-Land BRD, der Fakt dass die Koalition aus SPD und Gr\u00fcnen der Friedensbewegung in den R\u00fccken fielen. Dann die Suggestion einer au\u00dferordentlich \u201cselektiven Sicherheitspolitik\u201d der BRD, z.B. durch die vorgebliche Enthaltung beim Irakkrieg und beim Lybienkrieg sowie die Forderung Westerwelles nach Abzug der Atombomben. Oder auch der Umstand, dass in deutschen Kriegseins\u00e4tzen vergleichweise wenige deutsche Soldat_innen sterben (daf\u00fcr nat\u00fcrlich jede Menge Menschen auf der \u201canderen\u201d Seite). Ein Gro\u00dfteil der Menschen \u2013 zum Beispiel diejenigen welche erwerbslos oder im Niedriglohnsektor besch\u00e4ftigt sind \u2013 haben au\u00dferdem schlicht mit anderen Problemen zu k\u00e4mpfen.<\/p>\n
Was bedeutet das f\u00fcr uns? Antimilitarismus wird erst dann wirklich erfolgreich sein, wenn er mit Protesten gegen die kapitalistische Gesellschaftsordnung verbunden wird. Mit einem Klassenkampf im Interesse der ungeheuren Mehrheit, bei dem wir immer wieder deutlich machen: Arbeiter_innen haben kein Vaterland, kein Interesse an imperialistischen Kriegen und letzten Endes nichts zu verlieren als ihre Ketten. Die Herrschenden f\u00fchren ihre Kriege durchaus mit einem Interesse, welches ihnen selbst bewusst ist \u2013 dem m\u00fcssen wir einen interessegeleiteten Antimilitarismus entgegensetzen. Wenn Gauck es ablehnt, \u201cdass Deutschland sich klein macht\u201d, die Stiftung Wissenschaft und Politik von \u201cneuer Verantwortung\u201d spricht welche der BRD \u201czuw\u00e4chst\u201d und in der Koalitionsvereinbarung von CSU, CDU und SPD 2013 steht \u201cWir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten\u201d, dann m\u00fcssen wir damit rechnen, dass eine antimilitaristische Bewegung immer notwendiger wird und in unseren allt\u00e4glichen K\u00e4mpfen eine gr\u00f6\u00dfere Rolle spielen muss.<\/p>\n
F\u00fcr einen proletarischen Antimilitarismus!<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
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