Liebe SMV des Keplergymnasiums,<\/p>\n
wir m\u00f6chten euch auf diesem Weg eine R\u00fcckmeldung zu eurer Podiumsdiskussion am vergangenen Mittwoch geben. Es freut uns, dass ihr euch f\u00fcr aktuelle politische Themen interessiert, die \u00fcber reine Bildungsthemen hinausgehen. Und noch besser: ihr veranstaltet dazu eine Podiumsdiskussion, auf die ihr euch im Voraus monatelang vorbereitet und in die ihr viel Arbeit und Energie gesteckt habt.<\/p>\n
Leider ist bei jener Podiumsdiskussion dann ja so einiges nicht ganz stimmig gewesen und es gibt einige Punkte, die wir gerne mit euch diskutieren w\u00fcrden.<\/p>\n
Fangen wir bei der Besetzung des Podiums an. Ihr wolltet ein bewusst pluralistisches Podium haben, wolltet alle Seiten zu der Frage zu Wort kommen lassen. Das ist im schulischen Kontext so \u00fcblich, das wissen wir. Und in der Schule wird einem von Anfang an eingetrichtert, dass in einer Demokratie eben alles \u201epluralistisch\u201c sein muss und man nur so ein \u201eneutrales\u201c Bild einer Problemstellung zeichnen kann. Pluralismus bedeutet jedoch nicht in jedem Fall automatisch Neutralit\u00e4t. Im Gegenteil: wir halten diesen Gedanken f\u00fcr eine Illusion. Denn Pluralismus suggeriert, dass es keine objektiven Ansichten und Antworten geben k\u00f6nne und dass unsere Welt nicht objektiv erkennbar und ver\u00e4nderbar sei. Diese Behauptung dient lediglich dem Interesse derer, die selbst vom jetzigen Zustand profitieren. Zus\u00e4tzlich ist dieser sogenannte Pluralismus auch nur vorget\u00e4uscht. Denn Meinungen, die dem bestehenden (kapitalistischen) System widersprechen, sollen wiederum nicht zu Wort kommen.<\/p>\n
Einen neutralen Blick auf die Fl\u00fcchtlingsfrage erh\u00e4lt man jedenfalls nicht, indem man einen Vertreter der sogenannten \u201eAlternative f\u00fcr Deutschland\u201c auf das Podium setzt. Die AfD ist eine rechtskonservative Partei, die in den letzten Monaten nicht gerade durch menschenfreundliche und soziale Aussagen auf sich aufmerksam gemacht hat. In der Fl\u00fcchtlingsfrage \u00e4u\u00dfert sich dies dann in Forderungen wie: wir brauchen eine ehrliche Zuwanderung von gut ausgebildeten Fachkr\u00e4ften. Alle anderen, als \u201eWirtschaftsfl\u00fcchtlinge\u201c bezeichneten Menschen, sollen bittesch\u00f6n gehen und zwar in angemessen gro\u00dfer Zahl. Solche Aussagen sind menschenverachtend und ein Schlag ins Gesicht all jener Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen, um unter Lebensgefahr ein neues Leben in Europa zu suchen. Ausl\u00e4nderfeindlichkeit geh\u00f6rt weder auf ein Podium noch sonst irgendwo hin.<\/p>\n
Die Unterscheidung von \u201eFl\u00fcchtlingen\u201c und \u201eWirtschaftsfl\u00fcchtlingen\u201c nahm auch Herr Quandel, der Mitbegr\u00fcnder der \u201eB\u00fcrgerinitiative f\u00fcr Sicherheit und Gemeinsamkeit\u201c vor. Wirtschaftsfl\u00fcchtlinge seien Menschen, die aus wirtschaftlichen Gr\u00fcnden nach Deutschland k\u00e4men um sich hier \u201ein die soziale H\u00e4ngematte zu legen\u201c. Die Frage aus dem Publikum, ob der Tod durch Verhungern (also aus wirtschaftlichen Gr\u00fcnden) eher zu verantworten sei als der Tod durch Erschie\u00dfen im B\u00fcrgerkrieg, wurde von keinem der angesprochenen Podiumsteilnehmer beantwortet.<\/p>\n
Herr Quandel konnte die B\u00fchne eurer Podiumsdiskussion stattdessen daf\u00fcr nutzen, gezielt hetzerische Propaganda gegen diese \u201eWirtschaftsfl\u00fcchtlinge\u201c unter die Leute zu bringen. Ohne mit der Wimper zu zucken, erz\u00e4hlte er von nicht nachweisbaren Verbrechen, die die Asylbewerber in seinem Heimatort angeblich begangen h\u00e4tten. Damit zeichnet er bewusst ein falsches Bild \u2013 n\u00e4mlich, dass kriminelles Verhalten abh\u00e4ngig von der ethnischen Herkunft sei \u2013 und sch\u00fcrt rassistisches und diskriminierendes Gedankengut.<\/p>\n
Damit kommen wir zum zweiten diskussionsw\u00fcrdigen Punkt. Euer Konzept von Meinungsfreiheit und Pluralismus habt ihr gewisserma\u00dfen selber ad absurdum gef\u00fchrt. Denn wo ist die Forderung nach freier Meinungs\u00e4u\u00dferung geblieben, als sich verschiedene Einzelpersonen und Gruppen im Voraus der Veranstaltung kritisch zur Auswahl des Podiums \u00e4u\u00dfern wollten? Statt neben den menschenverachtenden und rechts-konservativen Aussagen der Alternative f\u00fcr Deutschland und der B\u00fcrgerinitiative f\u00fcr Sicherheit und Gemeinsamkeit auch fortschrittliche Stimmen zu Wort kommen zu lassen, wurde dies sofort im Keim erstickt. Diese Menschen haben nichts getan, als friedlich Flugbl\u00e4tter mit ihren Ansichten an die Leute zu verteilen. Dennoch wurden sie von vorneherein diskriminiert, angefeindet und eingesch\u00fcchtert, indem ihre Personalien polizeilich erfasst wurden und ihnen immer wieder mit Hausverweis gedroht wurde. Sieht in euren Augen so ein demokratischer und solidarischer Umgang miteinander aus?<\/p>\n
Alles andere als solidarisch war auch der Umgang mit einer Gruppe von \u00c4thiopiern, die sich ebenfalls an der Besetzung des Podiums st\u00f6rten. Allerdings bezog sich ihre Kritik auf Zekarias Kebraeb. Dessen einzige Aufgabe als \u201eVorzeigefl\u00fcchtling\u201c schien an diesem Abend darin zu bestehen, sein Buch anzupreisen und einige wenige Worte zu seiner pers\u00f6nlichen Geschichte zu erz\u00e4hlen. Um Missverst\u00e4ndnissen vorzubeugen: wir bef\u00fcrworten generell, dass Gefl\u00fcchtete und Fl\u00fcchtende selbst ihre Interessen artikulieren und f\u00fcr sie k\u00e4mpfen, statt dass immer nur bevormundend \u00fcber sie geredet wird, als w\u00e4ren sie lediglich die \u201eObjekte\u201c. Zekarias Kebraeb als gut integrierter ehemaliger Fl\u00fcchtling sollte jedoch an dem Abend vor allem als positives Beispiel gegen\u00fcber den \u201eschmarotzenden Wirtschaftsfl\u00fcchtlingen\u201c dienen. Jemand wie ihn w\u00fcrde man \u2013 wie mehrfach betont wurde \u2013 selbstverst\u00e4ndlich nie mehr aus Deutschland hinaus lassen wollen. Zu politischen Fragen \u00e4u\u00dferte er sich selbst in keiner Weise. Sehr bedauerlich war die Reaktion einiger Lehrer auf die Emp\u00f6rung der \u00c4thiopier. Statt sie \u2013 wie alle anderen im Publikum auch \u2013 ihre Fragen stellen zu lassen, wurden sie von vorneherein angefeindet, ihnen wurde mit Polizei und Hausverweis gedroht, statt sich ihre durchaus interessanten Aussagen bez\u00fcglich der Situation von Fl\u00fcchtlingen aus Eritrea und \u00c4thiopien im Vergleich anzuh\u00f6ren.<\/p>\n
F\u00fcr Furore sorgte schlie\u00dflich eure \u201eUmfrage\u201c, ob die anwesenden Menschen daf\u00fcr oder dagegen seien, wenn neben ihrem Haus ein Fl\u00fcchtlingswohnheim gebaut w\u00fcrde. Die Idee einer Umfrage ist nicht schlecht, was f\u00fcr Emp\u00f6rung sorgte, war eher die Art der Frage. Niemand wollte euch an dieser Stelle die Regie der Veranstaltung aus den H\u00e4nden nehmen. Dennoch kamen sowohl vom Podium, als auch aus dem Publikum sinnvolle Argumente, weshalb die so gestellte Frage selbst schon in eine rechtspopulistische Richtung ging. Immerhin suggeriert die Fragestellung von vorneherein, dass Fl\u00fcchtlinge etwas Komisches sind, etwas, das man nicht in seiner N\u00e4he haben m\u00f6chte. Fl\u00fcchtlinge sind Menschen wie ihr und wir und es fragt sonst auch niemand, ob er oder sie diese oder jene Person als Nachbar haben m\u00f6chte. Wir haben uns gefreut, dass euer Moderator und Sch\u00fclersprecher auf die eingebrachten Argumente eingegangen ist und dem so zustimmen konnte.<\/p>\n
Seid ihr als SMV insgesamt zufrieden damit, wie die Veranstaltung gelaufen ist? Vielleicht ist die Diskussion konfrontativer verlaufen als ihr euch das vorgestellt habt, vielleicht wart ihr euch der inhaltlichen Positionierungen der einzelnen Podiumsteilnehmer nicht bewusst und vermutlich seid ihr selber keine Vertreter solch diskriminierender und rassistischer \u00c4u\u00dferungen. Aber gerade dann solltet ihr euch jetzt im Nachhinein mit inhaltlichen Fragen zu dem Thema auseinandersetzen.<\/p>\n
Denn ein sehr zentraler Punkt kam an dem Abend leider viel zu kurz: die Frage nach den Ursachen der Flucht und nach der Rolle, die Deutschland, die EU und die westlichen L\u00e4nder generell dabei spielen.<\/p>\n
Im Jahr 2014 waren 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Die meisten Asylantr\u00e4ge in Deutschland kommen von Gefl\u00fcchteten und Fl\u00fcchtenden aus Syrien, Serbien, Eritrea und Afghanistan sowie dem Irak, Kolumbien, Nigeria und der DR Kongo. Es ist un\u00fcbersehbar, dass viele dieser L\u00e4nder seit Jahren von imperialistischen Kriegen heimgesucht werden. Teilweise, wie im Fall von Serbien und Afghanistan, waren es nicht zuletzt auch die Bomben der deutschen Bundeswehr, die diesen Menschen ihre Heimat genommen haben. In anderen L\u00e4ndern geschah dies zumindest mit politischer Unterst\u00fctzung oder Waffenlieferungen aus<\/span> der BRD.<\/p>\n Der Imperialismus in seinem Wesen ist die Ursache f\u00fcr Flucht, denn er bedeutet die Teilung der Welt in die Einflusssph\u00e4ren des Kapitals der einzelnen imperialistischen Staaten (wie USA, Deutschland, Frankreich, Japan, England). Die imperialistischen L\u00e4nder beuten die nat\u00fcrlichen Ressourcen und Arbeitskr\u00e4fte der nicht-imperialistischen L\u00e4nder systematisch aus. Gleichzeitig \u00fcberfluten sie deren M\u00e4rkte mit ihren Exportwaren und vernichten somit die heimische Wirtschaft. Es ist die von Deutschland, EU und USA ma\u00dfgeblich geforderte und gef\u00f6rderte kapitalistische Weltwirtschaftsordnung, die verhindert, dass Milliarden Menschen in der sogenannten Dritten Welt einen Weg aus Armut und Hunger finden. Und da Armut wiederum eine der Hauptursachen f\u00fcr die Kriege und B\u00fcrgerkriege ist, lassen sich \u201eWirtschaftsfl\u00fcchtlinge\u201c von anderen Fl\u00fcchtlingen nicht trennen.<\/p>\n Fl\u00fcchtlinge werden bei dem Versuch nach Europa zu kommen von der milit\u00e4rischen EU-Grenzsicherungsorganisation FRONTEX get\u00f6tet. \u00dcber 23000 sind seit dem Jahr 2000 im Mittelmeer ertrunken. Wir sind nicht der Meinung, dass man zu einem Massenmord, wie ihn die EU-Fl\u00fcchtlingspolitik betreibt, eine \u201eneutrale\u201c oder \u201epluralistische\u201c Einstellung haben kann.<\/p>\n Wenn die Fl\u00fcchtenden trotz abgeschirmter Au\u00dfengrenzen dennoch in Deutschland ankommen, werden sie kriminalisiert und angegriffen. Die Einb\u00fcrgerung von Migrantinnen und Migranten wird von ihrer politischen und religi\u00f6sen Weltanschauung, vor allem aber von ihrer m\u00f6glichen Verwertbarkeit f\u00fcr die Unternehmen abh\u00e4ngig gemacht. Vertreter wie Herr Jongen von der AfD schlagen mit ihrer Forderung nach einer ehrlichen Zuwanderung von Fachkr\u00e4ften in genau diese Kerbe.<\/p>\n Wir fordern stattdessen gleiche Rechte f\u00fcr ALLE hier lebenden Menschen. F\u00fcr die sofortige Einf\u00fchrung eines Grundrechts auf Asyl! Stopp aller Abschiebungen!<\/p>\n