Vom 16. bis 21. November veröffentlichten wir täglich einen Beitrag zum Faschismus und Widerstand in unserer Stadt Ulm.
Hier haben wir alle Beiträge nochmals zusammengefasst:
Tag 1
Das erste Posting zu unserer Kampagne zum Faschismus und Widerstand in unserer Stadt Ulm widmet sich den unmittelbaren Folgen der Machtübertragung. Sofort nach der Ernennung Hitlers als Reichskanzler war Eugen Maier als NSDAP-Kreisleiter für Ulm zuständig für die Zerschlagung letzter örtlicher demokratischer Strukturen und die damit zusammenhängende Verfolgung Oppositioneller. Schon am 13.03.1933 wurde der Gemeinderat aufgelöst und vier Tage später der gewählte Oberbürgermeister seines Amts enthoben, während die KPD-Stadträte schon verhaftet waren. Die Gleichschaltung durch die NSDAP verlief in Ulm rasend schnell, schon im Mai 1933 legten das gesamte Kollegium der implementierten Stadträte ihren Eid auf Adolf Hitler ab, und die verbliebenen demokratischen Organisationen waren verboten. Sinnbildlich dafür steht das Konzentrationslager Oberer Kuhberg. Ohne Gerichtsverfahren wurden etwa 600 politische Gegner, vor Allem Kommunisten und Sozialdemokraten, eingesperrt und mithilfe körperlicher und psychischer Folter misshandelt. Gezeichnet hat den Alltag im Ulmer KZ daneben harte körperliche Zwangsarbeit, Mangelernährung und Krankheit. Auch die Verfolgung und Benachteiligung Ulmer Juden hat außerordentlich früh begonnen. Der erste Boykottaufruf gegenüber Geschäften mit jüdischen Besitzern, anfangs ausgehend vom lokalen NSDAP-Parteiblatt „Ulmer Sturm“, ging dem reichsweiten Boykott rund drei Wochen voraus. Damit war der Grundstein für die weitere Verfolgung, und letztlich Einkerkerung, Deportation und Ermordung gelegt.
Tag 2
Nachdem wir gestern die Folgen der Machtübertragung für Ulm behandelt haben, geht es heute um die Antifaschist*innen und Geschwister Hans und Sophie Scholl. Beide verbrachten ab 1932 einen Großteil ihres Lebens in Ulm. Obwohl sie anfangs selbst überzeugte Anhänger der Hitlerjugend bzw. dem Bund deutscher Mädels waren und dort sogar Führungspositionen einnahmen, erkannten sie bald die menschenverachtende Ideologie der Nazis, nicht zuletzt auch aufgrund der ablehnenden Haltung ihrer Eltern.Somit war es nur eine Frage der Zeit, bis sie schließlich in Konflikt mit dem NS-Regime gerieten. Beide waren später Gründungsmitglieder der studentischen Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ und kämpften dort aktiv gegen den Faschismus, u.a. mit aufklärenden Flugblättern. Am 22. Februar 1943 wurden die Geschwister dafür von den Nazis hingerichtet. Selbst kurz vor ihrer Ermordung deckten sie noch andere Mitwirkende der „Weißen Rose“, um diese zu schützen. Weniger bekannt sind auch die Antifaschistischen Aktivitäten des Bruders Werner Scholl, der ein Jahr Später ebenfalls von den Nazis umgebracht wurde. Heute wollen wir dem Opfer der Geschwister Scholl gedenken und sehen es als unsere Aufgabe, aufblühenden Faschismus mit aller Härte zu bekämpfen.
Tag 3
Heute geht es in unserer Reihe Faschismus und Widerstand in Ulm, um einen weiteren Widerstandskämpfer im NS-Regime: Georg Elser. Dieser wurde am 04. Januar 1903 in Hermaringen geboren und verbrachte einen großen Teil seines Lebens in und um Heidenheim. Er war Mitgleid im Holzarbeiterverband (ehem. Gewerkschaft) und bekannte sich offen zur Kommunistischen Partei Deutschland (KPD). Außerdem war er Mitglied im roten Frontkämpferbund, einer paramilitärischen Organisation der KPD. Georg Elser war von Anfang an radikaler Gegner des NS-Regimes, weil er schon früh erkannte, dass die Nazis die Lebensbedingungen der Arbeiter*innen massiv verschlechtern und sich mit Großindustriellen verbünden. Bekannt wurde er schließlich durch seinen Bombenanschlag am 08. November 1939 auf Hitler und fast die gesamte NS-Führungsspitze, welches er über mehrere Jahre vorbereitete und sich dafür sogar von seinen Freunden isolierte, um diese nicht in Gefahr zu bringen. Das Attentat scheiterte, weil Hitler und sein Führungsstab das Gebäude ungeplant früher verließen. Bei seinem Fluchtversuch wurde Elser verhaftet, mehrere Monate unter Folter verhört und landete schließlich im KZ Sachsenhausen (später Dachau), wo er nach etwa 5 Jahren Haft am 09. April 1945 unter Anordnung Hitlers, nur 20 Tage vor der Befreiung des Lagers durch die Alliierten, erschossen wurde. In diesem Sinne gedenken wir Georg Elser und würdigen seinen mutigen Widerstand gegen den Faschismus.
Tag 4
Heute geht es in unserer Reihe Faschismus und Widerstand in Ulm, um die Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes. Bezeichnend hierfür war der Ulmer Einsatzgruppen-Prozess vom 28.4.1958, der sich gegen 10 Gestapo-Mitglieder und einige SD- und Ordnungspolizeiangehörige richtete. Dieser Prozess galt als einer der ersten Versuche, die Faschistische Vergangenheit aufzuarbeiten. Unter den angeklagten befanden sich auch Teile des Einsatzkommandos Tilsit, welches im September 1941 für den Tod von 5.502 jüdischen Kindern, Frauen und Männern an der Litauischen Grenze verantwortlich war. Nach dem Krieg lebten die später Angeklagten vorerst ihr Leben ganz normal weiter, erst als SS-Oberführer Bernhard Fischer-Schweder beim Land BaWü auf Wiedereinstellung klagte, wurden die Fälle untersucht und führten zur Anklage. Sämtliche Angeklagte wurden wegen „Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 315 bis 3907 Fällen“ verurteilt und bekamen zwischen 3 und 15 Jahre Haft. Dies war der erste große Prozess gegen Faschistische Täter vor einem Deutschen Gericht. Der Fall ist bezeichnend für die (mangelnde) Aufarbeitung der NS Vergangenheit in der BRD. Zwar wurden in diesem Fall die Täter am Ende verurteilt, aber nur weil diese absurderweise gegen den Staat klagten und so auf sich aufmerksam machten. Viele teils hochrangige Nazis behielten in der BRD, anders als etwa in der DDR, nach dem Krieg einfach ihre Posten, ohne je verurteilt zu werden. Das ist ein Grund, warum es auch heute noch viele Nazis in teils hohen Gremien der Polizei und dem Verfassungsschutz gibt.
Tag 5
In den nächsten 2 Tagen unserer Reihe Faschismus und Widerstand in Ulm, wollen wir über Opfer Rechter Gewalt nach 1945 sprechen. Denn auch nach dem Ende des Faschismus in Deutschland, haben wir es bis heute mit rechter Gewalt zu tun. In diesem Post möchten wir exemplarisch über 2 Faschistische Gewalttaten berichten, die in Ulm selber oder in räumlicher Nähe zu Ulm stattfanden. Morgen berichten wir über zwei Weitere. Die Vorfälle sind dabei nur ein kleiner Auszug rechter Gewalt in Ulm.
Brandanschlag auf Roma 24.09.2019
Erbach Dellmensingen
Nach wiederholten vorherigen Fremdenfeindlichen Äußerungen und Handlungen gegen eine Roma Familie, kommt es am 24. zu einem versuchten Brandanschlag auf einen Wohnwagen in dem zu diesem Zeitpunkt eine Roma und ihr 9 Monate altes Kind schlafen. Verletzt wurde glücklicherweise niemand.
Rafael Blumenstock 4.November 1990
Ulm Münsterplatz
Am 4 November wird Rafael Blumenstock spät nachts vor dem Ulmer Münster bestialisch ermordet. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt. Die Art der Ermordung und das persönliche Leben Blumenstocks lassen aber ein Rechtsradikales Motiv vermuten. Blumenstock war politisch Links gerichtet. Es besteht auch die Möglichkeit das der Angreifer ihn der Schwulen-Szene zugeodnet und ihn deswegen ermordet hat.
Tag 6
Heute, am letzten Tag unserer Reihe Faschismus und Widerstand in Ulm, wollen wir erneut über Opfer Rechter Gewalt nach 1945 sprechen. In Heidenheim kommt es am 19.12. 2003 in einer Diskothek zu einem brutalen Dreifachmord. Der Täter, der bereits am 3. Oktober bei einem brutalen Naziüberfall auf zwei Linke beteiligt war, tötete drei „Russland-Deutsche“ Spätaussiedler vor der Disko K2, die bereits am besagten Tag im Oktober der Tatort eines Übergriffs von Rechts war. Der Stadtbekannte Neo-Nazi ermordete die 3 Opfer (Alter 15-17) mit gezielten Messerstichen ins Herz. Dieses Vorgehen hatte er vorher mit anderen lokalen Nazis durchgespielt und geübt. So starben 2 der Opfer noch direkt am Tatort. Das dritte Opfer wenig später im Krankenhaus. Ein weiterer rassistischer Anschlag ereignete sich am 17.09. 2016 in Erbach. Bei einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim wurden dort 5 Personen verletzt. Wir haben die letzten 2 Tage unserer Kampagne bewusst dazu genutzt, über rechte Gewalt zu berichten, um zu zeigen, dass diese auch in unserer Stadt und Umgebung, allgegenwärtig ist. Als SDAJ verurteilen wir diese aufs Schärfste und sehen es als eines unserer wichtigsten Aufgaben, faschistische Tendenzen konsequent zu bekämpfen.
Wir hoffen, ihr konntet das eine oder andere aus unserer Aufklärungsreihe mitnehmen und wenn ihr Interesse an uns oder unserer Arbeit gekriegt habt, schaut doch gerne bei unseren Treffen vorbei.
Extra
Eigentlich ist unsere Social Media Kampagne seit gestern beendet. Aus gegebenem Anlass gibt es nun aber doch noch einen weiteren Post. Auf einer Quedenker Demo in Hannover hat sich gestern eine Rednerin mit Sophie Scholl verglichen. Dieser Vergleich ist vollkommen absurd und gleicht purem Geschichtsrevisionismus. Sophie Scholl war eine Freiheitskämpferin, die gegen Faschismus gekämpft hat, der schlimmsten Form des Kapitalismus, der u.a. für die systematische Vernichtung der Juden und Millionen von Kriegstoten verantwortlich war. Sie hat für Freiheit gekämpft, obwohl sie dafür ihr eigenes Leben riskiert hat und dieses später unter Folter auch verloren hat. Jana von Querdenken hingegen, geht mit Faschisten auf die Straße, um für irgendwelche fadenscheinigen Forderungen zu demonstrieren. Einige Leute, die bei Querdenken auf die Straße gehen, wären damals bei den Leuten dabei gewesen, die Sophie Scholl als erstes den Nazis ausgeliefert hätten. An dieser Stelle möchten wir betonen, dass natürlich nicht alle, die bei Querdenken auf die Straße gehen, selbst Faschisten sind oder mit diesen sympathisieren. Und natürlich ist es jedem sein gutes Recht zu demonstrieren. Auch als Sdaj haben wir einiges an den Corona Maßnahmen der Bundesregierung zu kritisieren, wie die Milliardenspenden an Großkonzerne, die viel zu bürokratische Hilfe für Kleinstbetriebe und Selbstständige, oder die Absicherung von Arbeiter*innen, die durch die Krise Arbeitslos geworden sind. Aber wenn man es duldet, Faschisten in seinen eigenen Reihen stehen zu haben, dann ist das purer Hohn für wahre Antifaschist*innen und Freiheitskämpfer, wie Sophie Scholl. Daher ist es unsere Pflicht, Jana und Querdenken dafür aufs Schärfste zu verurteilen.